Medien und Informatik wird (noch) wichtiger
Als Digital Natives wachsen die heutigen Kinder und Jugendlichen mit modernen Technologien auf und sind in der Regel damit vertraut. Trotzdem: Es ist Aufgabe der Schule, alle Schülerinnen und Schüler auch rund um Medien und Informatik fit zu machen und sie auf die Anforderungen vorzubereiten, die in Berufsbildung, Studium und Gesellschaft vorausgesetzt werden.
Die dafür nötigen Kompetenzen werden in den Schulen längst vermittelt. «Die Schülerinnen und Schüler können Daten aus ihrer Umwelt darstellen, strukturieren und auswerten», lautet etwa eine der Informatik-Kompetenzen des Lehrplans 21 für die Volksschulen. Dazu braucht es nicht unbedingt elektronische Geräte wie Laptop oder Smartphone – insbesondere nicht in den ersten Schuljahren. Eine Reportage aus der Primarstufe Volta zeigt, wie das konkret aussehen kann: Ein Kindergartenlehrpersonen-Team macht die Buben und Mädchen auf spielerische Weise mit Algorithmen und Datenstrukturen vertraut. Ein Beispiel gefällig? Knöpfe sortieren! Auch in der Primarschule Gotthelf war das Schulblatt zu Besuch. Dort lernten Sechstklässlerinnen und Sechstklässler verschiedene Roboter und deren Einsatzmöglichkeiten kennen. «Ich finde Lehrerroboter unnötig, denn sie unterrichten nicht besser», lautete anschliessend das Fazit eines Schülers.
Valérie Rhein
«Pädagogik und Technik gehen Hand in Hand»
Digitalität, eduBS-Books oder Medien und Informatik im Unterricht: Ein Gespräch mit Gaby Hintermann und Pascal Hofer, Leiterin und Leiter Primarstufe Basel
Eine Stunde pro Woche setzen sich die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse der Primarschule künftig explizit mit Medien und Informatik auseinander. Benotet wird das Fach M&I wie bisher im Rahmen von Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG). Was bleibt sonst noch gleich – und vor allem: Was wird anders?
Basler Schulblatt: Medien und Informatik wird ab Schuljahr 2023/24 in der 5. und 6. Klasse der Primarschule ein eigenständiges Fach. Was ändert sich für die Lehrpersonen?
Pascal Hofer: Die Kompetenzbereiche Medien und Informatik erhalten mehr Gewicht. Die Lehrpersonen haben nun im Stundenplan ein Zeitfenster, um sich diesen Themen explizit widmen zu können.
Gaby Hintermann: Aber die Inhalte und Kompetenzziele sind nicht neu, sondern wie bisher eine fächerübergreifende Aufgabe des Lehrplans 21. Insbesondere der Aufbau von Anwendungskompetenzen bleibt eine Team- und Querschnittsaufgabe und ist deshalb weiterhin auch in allen anderen Fächern integriert.
Wie sieht diese Verankerung im Unterricht konkret aus?
GH: Nicht die Inhalte von Medien und Informatik sind neu, sondern der geschärfte Blick darauf: Lehrpersonen bringen die M&I-Kompetenzen mit dem bisherigen Unterricht zusammen. Wenn die Kinder beispielsweise Wörter nach Wortarten, Bedeutung oder anderen Kriterien sortieren, kann ihnen die Lehrperson bewusstmachen, dass das Algorithmen sind. Und dass auch ein Computer auf der Basis von Algorithmen funktioniert.
PH: Aus den Primarschulen erhalten wir zum Teil die Rückmeldung, es fehle an Infrastruktur. Wir glauben, dass wir da inzwischen auf einem guten Weg sind. Und um beim Beispiel Wörtersortieren zu bleiben: Um Methoden für das Strukturieren, Organisieren und Auswerten von Daten sichtbar zu machen, braucht es nicht zwingend Geräte und Technik. Wir können das Prinzip auch ohne diese sichtbar machen.
Wie können sich die Primarlehrpersonen auf das Unterrichten von Medien und Informatik vorbereiten?
GH: Pandemie, Fernunterricht, dezentrale Zusammenarbeit oder eduBS-Books: In den vergangenen Jahren ist so viel passiert und hat bei vielen Lehrpersonen unabhängig vom neuen Fach das Bedürfnis geweckt, mehr über Medien und Informatik zu wissen und die eigenen Kompetenzen zu erweitern.
PH: Das PZ.BS hat in den letzten beiden Schuljahren am Dreitageblock ein vielfältiges Weiterbildungsprogramm unter dem Motto «Schulen in einer digitalen Welt» angeboten, das von den Schulen und Lehrpersonen sehr gut genutzt wurde. Wir nehmen die Einführung des neuen Faches zum Anlass, den allenfalls noch bestehenden Weiterbildungsbedarf der Lehrpersonen individuell einzuschätzen, damit sie sich fit fühlen, das Fach zu unterrichten.
Was ist da geplant und wann muss eine Lehrperson aktiv werden?
GH: Schulleitende und Lehrpersonen setzen diesen Prozess gemeinsam fort. Den Rahmen dafür bildet der «Leitfaden Portfolio Medien und Informatik», der im Kanton Basel-Landschaft bereits erprobt worden ist. Das Portfolio ermöglicht es Schulleitenden und Lehrpersonen, die individuellen Kompetenzen gemeinsam einzuschätzen und das weitere Vorgehen zu definieren.
Interview: Valérie Rhein
Das PH-Weiterbildungsmodul «LuPe» «Lehrplan und Profilentwicklung», abgekürzt «LuPe», ist ein auf Modulen aufbauendes Weiterbildungsangebot der Pädagogischen Hochschule (PH FHNW). Das «LuPe»-Modul «Medien und Informatik: Grundlagen Medien und Informatik – Basel-Stadt» richtet sich explizit an basel-städtische Lehrerinnen und Lehrer. Dieses Modul orientiert sich an den drei Informatik-Kompetenzbereichen des Lehrplans 21: Datenstrukturen, Algorithmen und Informatiksysteme. Zudem werden Grundlagen zum Kompetenzbereich «Kommunizieren und kooperieren mit digitalen Medien» vermittelt. |
Medien und Informatik auch in Bettingen und Riehen Analog zu Basel unterrichten ab nächstem Schuljahr auch die Lehrerinnen und Lehrer der Gemeindeschulen in den 5. und 6. Primarschulklassen Medien und Informatik als eigenständiges Fach. «‹Medien und Informatik› ergänzt auch in Bettingen und Riehen den bisherigen Unterricht und bereitet die Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen in der Aus- und Berufsbildung und in der Gesellschaft vor», sagt Pascal Kreuer, Abteilungsleiter Bildung und Familie. Um die Vermittlung entsprechender Kompetenzen zu unterstützen, stehen auch den Lehrpersonen der Gemeindeschulen die breitgefächerten Angebote des Pädagogischen Zentrums (PZ.BS) und der Pädagogischen Hochschule (PH FHNW) zur Verfügung. |
Keine Science-Fiction: Roboter im Alltag – ein Augenschein in der Primarschule Gotthelf
Ab dem Schuljahr 2023/24 führt der Kanton Basel-Stadt Medien und Informatik als eigenständiges Schulfach in den 5. und 6. Klassen ein. Emanuele Cino, Klassenlehrer an der Primarschule Gotthelf, setzt die Lehrplan-Ziele des neuen Fachs bereits seit zwei Jahren in seinem Unterricht um.
Mit einem Klangspiel läutet Emanuele Cino den NMG-Unterricht ein. Die Klasse 6e der Gotthelf Primarschule beschäftigt sich heute erstmals mit dem Thema Programmieren. Zur Einführung in das neue Sachgebiet will der Lehrer von seinen Schülerinnen und Schülern wissen, was sie mit dem Wort Roboter verbinden. «Mechanik», sagt Jayden. «Hilfe beim Staubsaugen», wirft Julian ein. Und Darja erzählt, dass ihr in einem japanischen Hotel Dinosaurier-Roboter begegnet seien. «Roboter sind meistens aus Metall und haben verschiedene Formen», ergänzt ein anderes Kind. Lautstark erinnern sich die Teenager an die Maschinenwesen aus ihnen bekannten Science-Fiction-Filmen wie «Transformer» oder «Iron Man». Worauf Emanuele Cino die Kinder wieder in die reale Welt zurückbeordert, indem er ihnen drei kurze Videos zu verschiedenen Einsatzfeldern von Robotern vorspielt. Dazu sollen sie sich stichwortartig Pro und Kontras zur Nutzung von Robotern notieren.
Stahlhans und Co.
Beim zunächst gezeigten Beitrag von SRF beobachten die Schülerinnen und Schüler amüsiert, wie der 360’000 Franken teure Roboter «Stahlhans» zu Forschungszwecken Popcorn macht, dieses dann jedoch verschüttet. Ein anderer Blechkamerad soll einen Sektempfang meistern, tut sich beim Einschenken jedoch noch schwer. Erstaunt sieht die Klasse zu, wie ein «Care-Robot» – im Wert von einer Viertelmillion Franken – in einem Altersheim testweise Trinkwasser serviert oder den Bewohnenden als Animateur dient. In einem koreanischen Schulzimmer wiederum unterstützt ein Androide die Lehrerin beim Englischunterricht. Und auf YouTube verfolgt die 6e gebannt, wie ein Roboter instruiert wird, einen Computer zusammenzusetzen. Der «künstliche Auszubildende» repetiert die vorgezeigten Handgriffe und lernt unmittelbar aus seinen Fehlern. In einem KiKA-Film schliesslich erleben die Sechstklässlerinnen und -klässler, wie schnell eine Drohne tausende von Samenkapseln aussäen kann und wie mühsam Kinder im Vergleich Eichenstecklinge einpflanzen.
Hilfreich, aber zu wenig menschlich
Im Anschluss an die Filmsequenzen diskutieren fünf Jungs das Gesehene: Peter fasst zusammen, bei welchen Arbeiten die gezeigten Roboter die Menschen bereits erfolgreich unterstützen und wobei sie ihnen zukünftig noch helfen sollen. Jonas lobt, dass die Maschinen schneller seien als der Mensch und zudem «cooler» aussehen würden. Julian hingegen kritisiert, dass die Roboter noch viel zu teuer und teilweise nicht marktreif seien. Orlando kommt derweil zum Schluss: «Ich finde Lehrerroboter unnötig, denn sie unterrichten nicht besser.» Als die Diskussion in Fahrt kommt, finden die Kinder auch eigene Argumente: Peter betont, den Robotern fehle es noch an Menschlichkeit, etwa wenn sie auf ein weinendes Kind eingehen sollten. «Wären sie menschlicher, dann würden aber noch mehr Menschen durch sie ihre Arbeit verlieren», gibt Orlando zu bedenken. Marin wiederum argumentiert, dass durch die Roboter neue Berufe entstünden, weil diese auch programmiert und repariert werden müssen. Zudem ersparten sie den Menschen mühselige Arbeiten und bescherten ihnen mehr Freizeit. Peter hingegen erklärt: «Es ist besser, wenn Kinder Bäume pflanzen, denn dabei sind sie in der Natur und lernen etwas.» Marin schliesslich findet einen Kompromiss: «Die Kinder pflanzen sorgfältiger, die Drohnen hingegen sind besser einsetzbar an gefährlichen Standorten.» Zum Abschluss der Lektion dürfen die Schülerinnen und Schüler ihre Pro- und Kontralisten an die Tafel hängen und einen Roboter nach ihrem Geschmack zeichnen. Während die Schülerinnen und Schüler eifrig Kampfmaschinen oder Serviceroboter malen, schweifen ihre Gespräche wieder zu den Kinohelden ab, bis erneut das Klangspiel ertönt und einen Schlusspunkt hinter die Unterrichtsstunde setzt.
Von Yvonne Kiefer-Glomme
«Einfach melden – wir finden eine gute Lösung»
Die Fachexperten für Medien und Informatik des Pädagogischen Zentrums PZ.BS stellen sich und ihre Angebote vor
Florian Dünki
Fachexperte Medien und Informatik/NMG, Zyklus 1 und 2
Ich bin die Ansprechperson, wenn …
«Unklarheiten in Bezug auf den Lehrplan bestehen. Auch bei Fragen zu Lehrmitteln, möglichen Unterrichtsszenarien oder auch einfach bei Unsicherheiten im Zusammenhang mit NMG oder Medien und Informatik. Der Zugang zu unseren Angeboten soll völlig niederschwellig sein – einfach melden: Per Mail, Teams oder Telefon und dann finden wir gemeinsam eine gute Lösung.»
Zudem unterrichte ich auch noch …
«mit grosser Freude an der Primarschule St. Johann. In einem grossartigen Team unterrichte ich mit 40% M&I und NMG in einer vierten Klasse. Hier bin ich auch die zweite Hälfte des ICT-Betreuungspersonen-Teams.»
Die Einführung des Schulfachs M&I …
«begrüsse ich, denn Medien- und Informatikkompetenzen müssen in der Schule gefördert werden. Wir müssen uns klar werden, welche Auswirkungen digitale Medien auf den Unterricht in allen Fächern haben. Und auch wie wir den grössten Nutzen für die Lernenden aus diesen Technologien herausschlagen. Die Einführung ist für mich ein klares Zeichen, dass sich unsere Vorstellung von Schule verändern muss: hin zu einem Lernort, an dem mit, über und in digitalen Medien gelernt wird.»
florian.duenki@bs.ch, 061 267 17 68
Florian Dünki empfiehlt für den Zyklus 1 und 2: Planungshilfe M&I «Die Planungshilfe für die Primarstufe beinhaltet Antworten zum ‹ Warum›, ‹Wie›, ‹Wann› und ‹Womit›. Sie ist eine Anlaufstelle, die alle relevanten Informationen beinhaltet – vom Überblick über die Thematik bis hin zu ganz konkreten Umsetzungsbeispielen. Die Planungshilfe ist für Basel-Stadt ein kleines Novum, da sie sich nicht auf dem Bildungsserver, sondern auf SharePoint befindet. So konnten wir auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen und beispielhaft zeigen, was mit der Plattform alles bewerkstelligt werden kann.» https://ictedubs.sharepoint.com/sites/MIA; die Seite steht allen Lehr- und Fachpersonen mit @edubs.ch-Zugang zur Verfügung. Makerspaces «Stark vereinfacht kann man sich darunter Werkstätten vorstellen, die mit digitalen (z.B. 3D-Drucker, Laser Cutter, Schneideplotter) und analogen Produktionsmöglichkeiten ausgestattet sind. Dabei liegt der Fokus auf der Förderung von Neugier, Eigenständigkeit, intrinsischer Motivation, Kreativität und Problemlösekompetenz. Beispielsweise könnten die Kinder durch einen Design-Thinking-Prozesses und viel Tüfteln einen Roboter bauen. An einer kleinen Anzahl Schulen sind solche Orte gerade am Entstehen.» |
Samuel Stirnimann
Fachexperte Medien und Informatik, Zyklus 3
Ich bin die Ansprechperson, wenn …
«Lehrpersonen Fragen zu möglichen Unterrichtsmethoden oder Unterrichtsumsetzungen in Bezug auf das Fach Medien und Informatik haben. Auch kleine Anfragen zu neuen Entwicklungen sind gerne willkommen. Fragen zur Implementierung neuer digitaler Tools können hingegen direkt auf der Webseite von DIG-IT gestellt werden.»
Zudem unterrichte ich auch noch …
«in der Sekundarschule St. Alban. Als Klassenlehrperson unterrichte ich eine Integrationsklasse und die Fächer RZG, Deutsch und Englisch. In dieser Klasse bin ich weiter noch als Heilpädagoge tätig.»
Die Einführung des Schulfachs M&I …
«ermöglicht den Schülerinnen und Schülern eine vertiefte Auseinandersetzung mit den heutigen gesellschaftlichen Realitäten. Ohne dieses Verständnis für digitale Prozesse und ohne kritische Auseinandersetzung ist in der heutigen Zeit eine Teilhabe an der Gesellschaft nur sehr eingeschränkt möglich. Und es besteht die Gefahr, dass die Chancenungleichheit vergrössert wird und demokratische Strukturen ins Wanken geraten.»
samuel.stirnimann@bs.ch, 061 267 17 49
Samuel Stirnimann empfiehlt für den Zyklus 3: Weiterbildung «Es werden viele Kurse auf Ebene Medien und Informatik angeboten. Einerseits geht es um die Vermittlung von Anwendungskompetenzen, um so eine Basis für nachfolgende Weiterbildungen zu legen. Es entstehen auch viele Angebote im Bereich des Programmierens: Wir planen zum Beispiel, das Programm ‹Primalogo› auf der Sekundarstufe zu implementieren. Damit lernen die Jugendlichen das Programmieren und Probleme mit einem Computer effizient zu lösen.» Planungshilfe M&I «Die Planungshilfe für die Sekundarschule soll möglichst viele praktische Bezüge herstellen. So werden den Lehrpersonen viele Unterrichtsmöglichkeiten und praktische Beispiele von Sequenzen zur Verfügung gestellt. Die Plattform ist in Entwicklung und wird im nächsten Schuljahr direkt ausgetestet.» Aufgezeichnet von Jacqueline Visentin |
«Algorithmus, it’s all around!» – Ein Nachmittag im Kindergarten Vogesenstrasse
Anne Tüscher und Claudine Rufatti engagieren sich im Volta-Quartier für den Unterricht Medien und Informatik. Die Themen Algorithmen und Datenstrukturen bringen sie den Kindern hauptsächlich ohne Strom und auf spielerische Weise nahe.
Der Nachmittag beginnt mit einer einfachen Frage: «Hast du deine Hände gewaschen?» Lucas, der herbeigeeilt ist, düst noch einmal davon, holt dies nach – und hat bereits, ohne es zu bemerken, einen Algorithmus befolgt. «Ein Algorithmus ist schliesslich nichts anderes als ein Programm in einzelne Schritte aufzuteilen», erklärt Anne Tüscher, die mit Claudine Rufatti den heutigen Unterricht vorbereitet hat. Bereits im ersten Kindsgi lernen die Kinder ihr Tagesprogramm in der richtigen Reihenfolge zu bewältigen: Reinkommen, Znünibox in den Korb, Hände waschen, Lehrperson begrüssen.
Ordnen nach selbst gewählten Eigenschaften
Rufatti hat die Kinder zu sich in den Kreis geholt, ihre Köpfe beugen sich über eine Schale. «Sind das Steine?», fragt Dimitri. Fast. Es sind Knöpfe, welche die Kinder nach eigenen Kriterien sortieren sollen. «Hat jemand eine Idee, welche Knöpfe man rauslesen könnte?» Lucas wählt einen aus. Und Milo antwortet auf die Frage, was besonders daran ist: «Er hat einen Goldrand!» Nun greifen viele flinke Finger in die Schale. Onda sucht gemusterte Exemplare heraus – und die Fünfjährigen diskutieren, ob es sich bei einem um einen goldenen Knopf handelt oder um einen Knopf mit einem goldenen Muster. Manch ein unpassendes Exemplar fliegt wieder im hohen Bogen zurück in die Schale. «Die Kinder befinden sich nun mitten im Thema Datenstrukturen», erklärt Rufatti, «sie lernen hier beim Sortieren spielerisch informatisches Denken.»
Alle Roboter einen Schritt nach vorn
Wie es sich anfühlen könnte, ein Roboter zu sein, erfahren die Kinder nun am eigenen Leib: «Alle Roboter machen einen kleinen Schritt nach vorn. Alle Roboter machen einen Schritt zurück. Alle Roboter lassen die Hände los, alle strecken ihre Arme in die Luft!» Die Kinder lernen, dass sie den Robotern exakte Befehle mit Richtungswechseln geben müssen, damit sich diese bewegen können.
Die Kinderaugen leuchten, als sie nun, endlich, Bee-Bot und Blue-Bot losschicken dürfen. Beides sind kleine Roboter, die spielerisch programmiert werden können. Bee-Bot sieht aus wie eine Biene, Blue-Bot kommt als blauer Käfer daher. Soll die Biene zuerst vorwärtsfahren und dann nach links? Oder doch zuerst nach rechts und dann geradeaus? Erst wenn das Kind mehrere Richtungswechsel durch Drücken der Pfeiltasten programmiert hat, fährt der Roboter los. Es ist gar nicht so einfach: Mit zu viel oder zu wenig Geradeaus-Pfeilen oder falschen Dreh-Befehlen sind Käfer und Biene schnell auf dem Holzweg und fahren stoisch immer wieder über die Spielfläche hinaus aufs Holzparkett. Macht gar nichts. Wichtig ist Rufatti, dass die Vorschulkinder solche Algorithmen Schritt für Schritt lernen. «Und dass sie sich wirklich vorstellen können, was Richtungspfeile und Drehungen überhaupt bedeuten.»
Hoch konzentriert bei smarten Games
Bevor Rufatti den Schwierigkeitsgrad bei den Robotern erhöht, schickt sie die Kinder zu unterschiedlichsten Smartgames. Hier muss Ea ein paar Eichhörnchen systematisch verschieben, so dass ihre Nüsse ins richtige Loch fallen: Algorithmus. Dort fädelt Ava Perlen auf eine Kette, die farblich zu ihrem Rock passen: Algorithmus. Lucas und Simao versuchen, Holzklötze und -kugeln nach einem vorgegebenen Plan zu einem Turm zu stapeln. «Algorithmus, it’s all around!», sagt Rufatti zur Beobachterin und schaut einer Holzkugel zu, die über den Tisch auf den Boden kullert.
Dimitri und Daria gehören zur Fraktion Datenstruktur: Sie sind bei den Knöpfen geblieben und ordnen sie nach einem selbst gewählten System. Die meisten Kinder arbeiten schweigend an ihrem Platz, bis Rufatti sie fragt, ob sie wieder zu den Robotern kommen möchten. «Ja!», rufen Lucas und Simao und die Türme vor ihnen fallen krachend in sich zusammen. «Halt, halt!» – erst wird aufgeräumt.
Mit Taktik zum Ziel
Nun macht es Rufatti etwas kniffliger für Käfer und Biene: Sie sollen den Weg um ein paar Steine herum zu einer Blume finden. Zuerst müssen alle Richtungswechsel programmiert werden: Während sich Ea und Simao eigentlich recht friedlich darüber austauschen, was zu tun ist, kämpfen weiter unten ihre Finger, sich laufend ineinander verkeilend, um die Vorherrschaft über die Knöpfe. Lucas hingegen hat schnell seine eigene Taktik entwickelt: Er tippt zuerst jedes der Felder an, über die sein Roboter bis zur Blume gelangen soll. «Das ist sehr schlau», lobt ihn dafür Rufatti. Auch Ava strahlt. Sie hat gerade von ihrer Kindergärtnerin ein Kompliment für das Muster ihrer «wunderschönen Kette» bekommen. Ja, genau: Algorithmus – at it’s best.
Von Regula Wenger
Medien und Informatik an Mittelschulen und Berufsfachschulen cs. Informatik ist als obligatorisches Schulfach in der Stundentafel der kantonalen Gymnasien, der Fachmaturitätsschule (FMS) und der Wirtschaftsmittelschule (WMS) integriert. Die wöchentliche Stundenzahl variiert zwischen ein und zwei Lektionen und wird sowohl in Ganzklassen als auch in Halbklassen unterrichtet. Die Informatikmittelschule (IMS) legt seit 2020 mit zehn Wochenstunden das Schwergewicht auf die Informatik. In den Berufsfachschulen unterscheidet sich der Anteil des Schulfachs je nach Beruf. Die Stundentafeln der einzelnen Berufe unterliegen einer gesamtschweizerischen Regelung. Die zunehmende Digitalität des Alltags verlangt fächerübergreifend von allen Lehrerinnen und Lehrern erweiterte Kompetenzen im Umgang mit den neuen technologischen Möglichkeiten und verändert tendenziell auch ihre Rolle im Unterricht weg von der klassischen Lehrperson hin zum prozessbegleitenden Lerncoach. Gefragt sind Weiterbildungen in digitaler Didaktik. An den Berufsfachschulen gibt es ein vierstufiges Weiterbildungskonzept (www.edubs.ch/berufsfachschulen), im Bereich der Mittelschulen sorgt das kantonale Projekt «Lernen und Prüfen in einer Kultur der Digitalität (LPKD)» für die Weiterentwicklung des Unterrichts und schafft Synergien zwischen den Schulen. |
Medien und Informatik an der Sekundarschule cs. In der Stundentafel der Sekundarschule soll Medien und Informatik als eigenständiges Schulfach ausgewiesen werden. Geplant ist jeweils eine Lektion im 9. und 10. Schuljahr. Das Fach soll benotet werden, jedoch keine Relevanz für die Promotion haben. Im 11. Schuljahr soll es als Freifach an allen Schulstandorten angeboten werden. Durch diese Anpassungen wird ermöglicht, dass alle Schülerinnen und Schüler mit guten Kenntnissen in den Bereichen Medien, Informatik und Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in die Berufsbildung oder die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen wechseln können. Die vorgesehenen Änderungen ziehen Umschichtungen in anderen Fächern wie Textiles Gestalten, Technisches Gestalten, Mathematik und Französisch nach sich. Die Konsultation zu den geplanten Änderungen endete am 23. April, die Rückmeldungen fliessen in die endgültige Fassung ein. Eine Umsetzung ist stufenweise ab dem Schuljahr 2024/25 geplant und soll 2026/27 abgeschlossen sein. |
Von Apple-Gemeinden und Windows-Vorstädten
Das Fach Medien und Informatik in anderen Kantonen
Viele Kantone der Schweiz haben das Fach Medien und Informatik bereits eingeführt, zum Beispiel gleich gemeinsam mit dem Startschuss zum Lehrplan 21. Die Unterschiede zur Situation in Basel sind zum Teil beachtlich.
Der Kanton Basel-Stadt ist (zumindest offiziell) nicht schöner, besser oder intelligenter als zum Beispiel Kantone wie Zürich oder Bern. Aber die strukturellen Voraussetzungen sind total unterschiedlich, auch in der Bildungslandschaft. Stichwort Gemeindeautonomie. Gemeinden gibt es auch bei uns. Aber wenn sich Basel, Bettingen und Riehen an einen Tisch setzen, dann kommen oft Kompromisse oder Lösungen zustande. Das ist nicht überall möglich.
Kanton Zürich: 350 oder 443'037?
Volken als kleinste Gemeinde im Kanton Zürich hat 350 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Stadt Zürich hingegen fast eine halbe Million. Insgesamt arbeiten im Kanton 18’000 Lehrkräfte in 160 Gemeinden an rund 500 Schulen. Wenn man diese Zahlen kennt, liegt es auf der Hand: Bei der Einführung eines Schulfachs kann die kantonale Bildungsdirektion nicht alles durchorganisieren. Vielmehr liegt die Durchführung in den Händen der Gemeinden, die kantonale Direktion bietet Leitplanken und Empfehlungen an. Als das Fach Medien und Informatik im Schuljahr 2017/18 eingeführt wurde, gab es beispielsweise noch nicht genügend Lehrmittel zum Thema. Die Co-Projektleiterin Kathrin Schmocker erinnert sich: «Wir arbeiteten im Volksschulamt eine Planungshilfe für die Sekundarschule aus und kümmerten uns auch sonst um Überbrückungslösungen.» Der Zürcher Lehrmittelverlag entwickelte parallel dazu das Lehrmittel «Connected». Überhaupt war die Einführung von Medien und Informatik mit einem äusserst sportlichen Zeitplan verbunden. Nach einem Beschluss des Zürcher Bildungsrats anno 2016 startete eine Vernehmlassung, in der die Einführung zwar unbestritten war, nur die Infrastruktur und die Rahmenbedingungen bereiteten den Gemeinden Sorgen. Erst im Frühling 2017 wurde die definitive Stundentafel abgesegnet. Der Start des Unterrichts in Medien und Informatik war aber bereits für den gleichen Sommer vorgesehen. «Zusammen mit der PH Zürich organisierten wir die obligatorische Weiterbildung mit drei ECTS-Punkten und dem Schwerpunkt Informatik, wobei wir zu Beginn die Plätze beschränken mussten», erzählt Kathrin Schmocker. Mit dieser Begrenzung wurde sichergestellt, dass von der Gemeinde Volken bis zur Stadt Zürich alle Schulen Lehrkräfte hatten, die mit Medien und Informatik starten konnten. Heute besitzen rund 3'000 Lehrpersonen die nötige Qualifikation, um Medien und Informatik zu unterrichten. Widerstände gegen eine Einführung gab es kaum, wobei Kathrin Schmocker die Bedeutung der einzelnen Schulleitungen in diesem Prozess betont. «Die Schulleitungen waren wichtige Schlüsselpersonen. Sie haben den Prozess vor Ort gesteuert.»
Schnelles Zürich, langsames Bern?
Steht dem sportlichen Fahrplan des Kantons Zürich eine gemütliche Einführung des Fachs Medien und Informatik im Kanton Bern gegenüber? Das Klischee wäre bestätigt. Und tatsächlich arbeitete man im Kanton Bern längere Zeit im Rahmen eines Unterrichtsentwicklungsprojekts an der Einführung des Lehrplans 21. Dies aber völlig bewusst, weil man den Schulen Zeit geben wollte. Dann wurde ab 2016 der neue Lehrplan gestaffelt eingeführt. Seit dem letzten Jahr werden alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule danach unterrichtet. Auch hier begleitete die Pädagogische Hochschule die Schulen mit fachdidaktischen Angeboten. Weiterbildungen wurden zur Verfügung gestellt und stiessen auf ein grosses Interesse bei den Lehrpersonen. Was in Zürich und in Bern auffällt: Aufgrund der grossen Fläche der Kantone übernehmen die Gemeinden eine viel stärkere Rolle in der Ausführung als in Basel-Stadt. Im Kanton Bern entscheidet die Gemeinde über die Vergabe von Tablets an die Schulkinder. Einheitliche Softwarelösungen sind nicht vorgeschrieben. «Bei uns gibt es Gemeinden, die Apple-Geräte bevorzugen, andere wählen Windows», erklärt Sabine Bättig, Leiterin des Fachbereichs Schulentwicklung im kantonalen Amt für Volksschulen. Die unterschiedlichen Voraussetzungen an den Standorten seien sehr breit. Gerade der Migrationsanteil einer Gemeinde oder deren finanzielle Möglichkeiten spielten eine Rolle in den Überlegungen. Anders als in Basel gibt es im Kanton Bern Schulinspektorate. Also Mitarbeitende des Bildungsdepartements, die regelmässig die Schulen begleiten und unterstützen. «Das gab uns die Möglichkeit, während der langen Einführungsphasen ständig im Austausch mit den Schulen zu sein», erklärt Sabine Bättig die Vorteile dieses Systems. Die Standorte seien zum Teil sehr affin beim Thema Digitalisierung. Bei anderen Standorten habe man während der Entwicklungsphase auch motivierend eingreifen müssen. Was in Basel-Stadt, Bern und Zürich allerdings unisono betont wird: Corona hat einen regelrechten Digitalisierungsschub ausgelöst.
Simon Thiriet