«Wir klapperten alle Schulen ab»
Aus ICT/TU Medien und IT ED wird neu DIG-IT. Wir haben die Reorganisation zum Anlass genommen, mit jemandem zu sprechen, der fast seit Beginn bei der IT-Abteilung des Departements dabei ist. Und in seinem Arbeitsalltag einen Einblick in die beide Welten erhielt. Christian Kern, bei DIG-IT künftig stellvertretender Leiter der Abteilung, arbeitete vor zwanzig Jahren als Informatiklehrer an der WBS2 direkt an Schulstandorten. Er war aber auch hautnah dabei, als man in der kantonalen Verwaltung die neue Technik einführte und er als Supporter dem damaligen Departementsvorsteher Stefan Cornaz seinen PC installierte.
Basler Schulblatt: In der digitalen Welt geht alles schneller. Wir bezeichnen zwei Jahre alte Mobiltelefone als «total veraltet» und amüsieren uns über den Retrolook von Webseiten, die erst vor fünf Jahren entstanden sind. Wie muss man sich dann erst die 90er-Jahre vorstellen? |
Christian Kern: Es herrschte ein grosser Pioniergeist. Die Herausforderung dabei war, dass man keine Übersicht hatte, wer was tat. Als ich bei der IT begann, klapperten wir mehr oder weniger alle Schulen ab. Da gab es Standorte, die sich dem Thema total verweigerten. An anderen Schulen waren engagierte Lehrpersonen, Schulleitungen und teils sogar Eltern dabei, erste Netzwerke aufzubauen. In der Verwaltung und auf den Schulsekretariaten begann der Kanton gleichzeitig mit der Einführung von Windows 3.11 . Damals war klar, dass man Schule und Verwaltungsstrukturen klar getrennt haben wollte. |
Warum? |
Christian Kern: Etwas zugespitzt gesagt, hatte man beim Kanton den Bammel, dass plötzlich Jugendliche auf die heiklen Daten der Polizei zugreifen können, wenn sie im gleichen Netzwerk sind. Positiv formuliert, könnte man also sagen, dass man den Schülerinnen und Schülern schon seit Anfangszeiten sehr gute Computerkompetenzen zutraute. |
Wie sind Sie damals zu dieser Thematik gekommen? |
Christian Kern: Ich habe während des Studiums als Lehrer bei der damaligen WBS2 angefangen. Durch einen Kollegen bekam ich dann mit, dass man im ED jemanden in der Informatik suche. Also habe ich im Support begonnen. Zuerst stunden-, dann tageweise. Und irgendwann bekam ich einen festen Arbeitsvertrag. Gleich zu Beginn wurde ich einmal in meine alte Schule, das ehemalige Realgymnasium geschickt. Dort trat ich dann ins Büro des Rektors, der mich erkannte und verdutzt «Was mache denn Si doo?» fragte. Ich sagte ihm, dass ich ihm jetzt einen Computer installiere. Das erstaunte ihn etwas, denn er hat mich einst eigenhändig im Informatikunterricht vor die Türe gestellt. |
«Zu Beginn waren das absolute Pioniere. Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten. Es gab extrem viele Quereinsteiger, die ursprünglich einen anderen Beruf erlernt haben. Das war an den Schulen und in der Verwaltung genau gleich.»
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Was bei der Vorbereitung zu diesem Gespräch überrascht hat: Wie spät Internet und E-Mail flächendeckend eingeführt wurden. In einem Dokument aus dem Jahre 2006 musste man zum Beispiel noch ausführlich erklären, was ein «Attachment» genau ist und welche Funktion es in einem E-Mail übernimmt. |
Christian Kern: Bei uns in der Verwaltung und an den Schulen startete man jedoch schon viel früher mit diesen Themen. Das kantonale Netzwerk DANEBS, das damals ins Leben gerufen wurde, war schweizweit eines der ersten Projekte. Basel-Stadt bot sich wegen seiner Kleinflächigkeit sehr gut dafür an. Die Schulverwaltungen konnten davon profitieren, da sie nun auch Daten von anderen Schulen abrufen konnten. Dabei ging es aber nur um Schülerdaten und nicht um pädagogische Inhalte. |
Welches Mindset herrschte bei den Mitarbeitenden vor? Wir reagierte eine Büromannschaft zum Beispiel, als Sie dort mit Computern vorbeigekommen sind? |
Christian Kern: Da gab es eindeutig zwei Lager. Viele Leute haben es geschätzt und die Geräte konnten gar nicht modern genug sein und schon dort kam teilweise die Meinung auf, dass der Kanton der Entwicklung hinterherhinkte. Andere freundeten sich nicht mit der Thematik an und rümpften beispielsweise die Nase, als irgendwann der Support für Diktiergeräte eingestellt wurde. Das ist heute übrigens noch immer so: Du hast Menschen, die sich der Thematik gegenüber extrem aufgeschlossen verhalten und andere, die am liebsten gar nichts Neues ausprobieren. Das Grössenverhältnis zwischen den beiden Lagern hat sich aber natürlich sehr geändert. Das hat sicher damit zu tun, dass früher die IT ein Hilfsmittel war, heute aber ein integraler Bestandteil in fast allen Prozessen ist. |
Was waren das eigentlich für Personen, die an den Schulen oder in der Verwaltung in IT-Abteilungen arbeiteten? |
Und geraucht wird auch nicht mehr so viel. In unseren Büros, damals noch am Münsterplatz, da musste man sich zuerst einmal durch eine Rauchwand kämpfen, bis man überhaupt sah, wer alles anwesend war. |
Wer hatte damals das Anrecht auf einen PC im Büro? |
Christian Kern: Ganz zu Beginn waren das nur die ITler, die Sekretariate und der Departementsvorsteher. Dann kamen die Finanz-Fachpersonen dazu, die mit riesengrossen Bildschirmen ihre Berechnungen anstellten. Anschliessend war die Lohn- und Personalabteilung dran. Von da an ging es dann sehr schnell und das Gerät setzte sich durch. |
«Was mich besonders freut: Dass wir bis jetzt sämtliche Herausforderungen irgendwie bewältigt haben. Es ist nie etwas Gröberes passiert und das will in der IT-Welt etwas heissen.»
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War das beim Internet genau gleich?
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Christian Kern: Nein, da war alles sehr viel restriktiver. Da musste man eine Bewilligung einholen. Da gab es dann sogar ein Problem mit überhöhtem Konsum und man musste gewissen Leuten das Internet wieder wegnehmen. Das Internet war ein riesengrosses Ereignis dannzumal. Man traf sich in kleinen Grüppchen in einem Büro und ging zusammen ins Internet. Am Münsterplatz gab es einen kleinen Raum gleich hinter der IT, dort hatte es einen Computer mit Anschluss und dort traf man sich jeweils. |
PC in Büros, Internet – waren das die grössten Meilensteine, wenn man auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zurückblickt? |
Christian Kern: Das waren grosse Kisten, ja. Aber auch die Applikation NESUBA war für die Schulverwaltungen sicher ein Meilenstein, weil man fortan Noten, Absenzen und Löhne einfacher erfassen konnte. Bei der IT-Abteilung des ED selbst war es ein grosser Schritt, als im Rahmen der RV09 zentrale Rechenzentren an der Leimenstrasse, in der St. Jakobshalle und an der Clarastrasse entstanden. Und dann kam im Jahre 2012 die grossflächige Umstellung auf Citrix, mit der man mit dem eigenen Gerät auf unsere Netzwerke zugreifen kann. Das wurde von allen Mitarbeitenden sehr geschätzt und hat sich nun ja auch während des Lockdowns bewährt.
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Abschliessend: Sie arbeiten nun schon gut 20 Jahre im Departement und dies auch noch in einer Thematik, die sich weiterentwickelt wie kaum eine andere. Erlebt man da noch Überraschungen im Alltag?
Simon Thiriet |
Christian Kern: Ja klar, das zeigt nicht zuletzt die momentan laufende Reorganisation. Der Arbeitsalltag ändert sich ständig und das finde ich spannend. Was mich besonders freut: Dass wir bis jetzt sämtliche Herausforderungen irgendwie bewältigt haben. Es ist nie etwas Gröberes passiert und das will in der IT-Welt etwas heissen. Gerade beim Thema Sicherheit ist es ein ständiger Wettlauf mit Organisationen, die üble Sachen im Sinn haben. Und wenn man da realisiert, dass auch modernste Firmen wie aktuell Comparis, aber auch Spitäler oder Energieversorger täglichangegriffen werden, dann stimmt mich das nachdenklich. Auch wir waren mit der Allgemeinen Gewerbeschule kürzlich betroffen und lernen täglich dazu, mit dieser neuen Bedrohung umzugehen. |