Sie sind hier: Startseite / Publikationen / Basler Schulblatt / Artikel / Anschluss statt Abbruch

Artikelaktionen

Anschluss statt Abbruch

11.04.2025
Im Alter von 25 Jahren haben in Basel rund 15 Prozent der ehemaligen Schülerinnen und Schüler keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II. Damit verpasst Basel das nationale Ziel einer Abschlussquote von 95 Prozent deutlich und liegt im schweizweiten Vergleich knapp vor Genf auf dem zweitletzten Platz. Im Herbst startete die stufenübergreifende Strategie Laufbahnoptimierung im integrativen Bildungsmodell (LiB).
Bild Legende:
Benedikt Arnold und Matthias Hostettler leiten die stufenübergreifende Strategie Laufbahnoptimierung im integrativen Bildungsmodell.

«Möglichst alle Kinder und Jugendlichen in unserem Kanton sollen sich sozial und beruflich in der Gesellschaft integrieren können. Das ist die Kernaufgabe unserer Schulen. Wir erfinden mit LiB nichts grundlegend Neues. Die Laufbahnentscheide sind eines der sechs Fokusthemen der aktuell gültigen Strategie des Erziehungsdepartements von 2023, LiB gehört da dazu», ordnet Matthias Hostettler ein. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich Volksschulen leitet gemeinsam mit Benedikt Arnold als Vertreter aus dem Bereich Mittelschulen und Berufsbildung über die kommenden vier Jahre hinweg die strategische Aufgabe LiB, ein gemeinsamer Auftrag der Leitung Mittelschulen und Berufsbildung und der Volksschulleitung. «LiB ist eine langfristige Aufgabe. Die Frage, wie ich zu einem Abschluss komme, hängt von vielen Faktoren ab», ergänzt Benedikt Arnold: «Bemühungen des Erziehungsdepartements, Jugendliche an Ausbildungen heranzuführen und sie auf ihrem Weg zum Abschluss zu unterstützen, sind nicht mit einem Projekt abgeschlossen, sondern müssen sich den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Nehmen wir zum Beispiel das Lehrstellenangebot: Es ist von konjunkturellen Faktoren abhängig und wird vom Arbeitsmarkt her gesteuert. Die Lage verändert sich laufend. Daher werden auch wir unsere Analysen und Massnahmen immer wieder überprüfen und anpassen.»

Alle Stufen im Blick

Die Strategie nimmt von der Frühförderung bis hin zum Abschluss einer höheren Schule oder einer Berufslehre alle Stufen in den Blick und beinhaltet viele unterschiedliche Projekte oder Sequenzen, die zeitlich versetzt analysiert und bearbeitet werden. Gearbeitet wird dezentral in unterschiedlichen Projektteams oder Arbeitsgruppen.

Ab Frühling 2025 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe im Bereich der Volksschulen mit der Sequenz «Beurteilen und Bewerten». Sie hat den Auftrag, Vorschläge für ein neues Beurteilungs- und Bewertungssystem auszuarbeiten. Diese sollen eine ganzheitliche Beurteilung von Schülerinnen und Schülern ermöglichen mit dem Ziel, die Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Bereits weiter fortgeschritten ist im Volksschulbereich die Sequenz zur Optimierung der Sekundarstufe I mit einem speziellen Fokus auf dem A-Zug. In der Arbeitsgruppe rund um Stufenleiter Götz Arlt sind Schulleitungen, Lehrpersonen, die KSBS und die Berufsberatung einbezogen. Im Zentrum steht die Frage, wie lernschwache Jugendliche den Anschluss behalten und ihr Potenzial besser ausschöpfen können.

Im Bereich Mittelschulen und Berufsbildung gibt das Onboarding von Lernenden in den Lehrbetrieben Anlass zu Verbesserungen. «Oft kommt es in den ersten Wochen und Monaten zu Auflösungen von Lehrverhältnissen, da die Integration eines oder einer Lernenden in den Betrieb nicht klappt. Da macht es Sinn, die Betriebe zusätzlich zu sensibilisieren», umreisst Benedikt Arnold das Vorhaben.

Breite Abstützung

«Wenn es an die Umsetzung der Berichte und Papiere aus den Arbeitsgruppen geht, erwarten wir bei einigen Sequenzen nachgelagerte politische Prozesse. Das gilt insbesondere für Massnahmen, welche eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen wie etwa der Schullaufbahnverordnung voraussetzen», ordnet Matthias Hostettler ein. Die Strategie soll daher breit abgestützt werden. In den zwei vorbereitenden Steuergruppen und in der Echogruppe, die auf der operativen Seite angesiedelt ist, sollen neben den Bereichsleitungen oder der KSBS auch externe Vertretungen aus dem Gewerbeverband (GVBS), der Handelskammer (HKBB) oder dem Arbeitgeberverband (AGBS) eingebunden werden.

An der Kick-off-Veranstaltung im vergangenen Oktober gab es gute Rückmeldungen. «Wir sind zuversichtlich und haben das Gefühl, dass die externen Stellen ein Interesse daran haben, mitzudenken und mitzusteuern», meint Hostettler. Er geht davon aus, dass mit Massnahmen, die am richtigen Ort ansetzen, die Quote der jungen Erwachsenen, die im Alter von 25 Jahren über einen Abschluss der Sekundarstufe II verfügen, effizient erhöht werden kann. «Wenn in einem Jahrgang respektive einer Kohorte 30 bis 50 Schülerinnen und Schüler mehr ihre berufliche Erstausbildung oder eine Mittelschule abschliessen, steigen die Zahlen bereits um 2 bis 3 Prozent.» Und Benedikt Arnold, Leiter des Angebots Gap – Case Management Berufsbildung für Jugendliche, die für einen Übertritt in die Berufsbildung zusätzliche Unterstützung benötigen, ergänzt: «Als Gap 2008 gegründet wurde, gingen wir davon aus, dass Ausbildungslosigkeit primär sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler mit einer Mehrfachproblematik betreffen. Heute wissen wir, dem ist nur zum Teil so. Gap unterstützt mit dem Angebot Loop mittlerweile auch Schülerinnen und Schüler an den Mittelschulen.»

Die Strategie LiB ist einzigartig in der Schweiz. Der Handlungsdruck ist in Basel-Stadt auch wesentlich grösser ist als in anderen Kantonen. Basel steht also für sich, dennoch kommt es in Teilbereichen zu einem produktiven Austausch über die Kantonsgrenzen hinweg. So gibt es etwa in Genf oder im Tessin Modelle, die Jugendliche nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit bis ins Alter von 18 Jahren dazu verpflichten, an einer auf die Berufsbildung ausgerichteten Tagesstruktur wie etwa einem Praktikum oder einem Brückenangebot teilzunehmen. Eine Arbeitsgruppe soll die Genfer Erfahrungen auswerten. Es gibt aber auch Bereiche, bei denen andere Kantone im Umkehrschluss die Basler Praxis mit Interesse verfolgen. Etwa beim selektiven Obligatorium zur Frühförderung oder beim DaZ-Unterricht in gesonderten Klassen. Auch das Case Management Berufsbildung gilt schweizweit als Vorzeigemodell.

Text: Charlotte Staehelin, Foto: Grischa Schwank

abgelegt unter: ,