Ausprobieren erwünscht
«Ihr dürft das Loch für den Schlüsselring nicht vergessen», Thorben Söhle wirft einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm, den zwei Teenager teilen. In einem dreidimensionalen Gitternetz hängt ein Objekt, das losgelöst vom Kontext entfernt an ein Ufo erinnert. Es ist der Bauplan für einen Schlüsselanhänger, der gleichzeitig auch als Chip für die Einkaufswagen eines Grossverteilers genutzt werden kann. Das Objekt soll mithilfe eines 3-D-Druckers realisiert werden und ist Teil der Projektarbeit in Beruflicher Orientierung an der Sekundarschule Vogesen. Zum Konzept gehört auch ein Marketingplan. «Wenn wir damit Geld verdienen, geht es in die Klassenkasse für die Abschlussreise», erklärt einer der beiden jungen Gestalter.
Neben Schlüsselanhängern sind an diesem Nachmittag auch die individuelle Umgestaltung von Turnschuhen, die Entwicklung einer eigenen Kleidermarke oder ein Filmprojekt in Arbeit.
In kleinen Gruppen beschäftigen sich die Jugendlichen mit ihren Abschlussprojekten. Die Atmosphäre ist ruhig und entspannt. Wer nicht weiterkommt, kann sich an Thorben Söhle oder Jens Schneider wenden. Die beiden Lehrpersonen sind an der Sekundarschule Vogesen die Ansprechpersonen für Making-Projekte. Sowohl für Schülerinnen und Schüler, die diesen Raum zur freien Verfügung nutzen wollen, als auch für Lehrpersonen, die mehr über das Potenzial des Selber-Machens erfahren möchten.
Unterschiedliche Wege führen zum Ziel
Thorben Söhle weiss um die Vorzüge, die es bringt, etwas selber herzustellen: «Im besten Fall versteht man ein bisschen besser, wie die Welt funktioniert, wenn man zum Beispiel eine Handyhalterung für das Velo selber konstruiert und umgesetzt hat. Auch wenn man mit dem Projekt scheitert, steht immer ein Denkprozess hinter solchen Arbeiten. Man lernt, dass unterschiedliche Wege zum Ziel führen können, übt sich darin, Lösungen zu finden, oft durch Ausprobieren.»
Der Raum mit Lasercutter, 3-D-Drucker und Greenscreen steht den Lehrpersonen für Unterrichtssequenzen zur Verfügung und ist an drei Nachmittagen pro Woche für freie Projekte der Schülerinnen und Schüler geöffnet. Dabei sollen auch Synergien mit der Holzwerkstatt oder dem Textilen Gestalten genutzt werden und Abfallprodukte wie Acrylglaszuschnitte oder Holzreste weiterverarbeitet werden.
Übungsraum für freies Arbeiten
Das neue Angebot steht noch ganz am Anfang. Gross ist der Andrang noch nicht. Einerseits liegt das daran, dass die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeiten der Geräte, die zur Verfügung stehen, erst einmal erkunden müssen. Das geschieht am effizientesten im Rahmen des Unterrichts. So hat etwa Jens Schneider eine Sequenz zu Holzbearbeitung und Gravur mit dem Lasercutter in den Unterricht eingebaut, was die Schülerinnen und Schüler animierte, auch in der Freizeit vorbeizukommen, um Arbeiten zu beenden oder weiterzuführen.
Schulleiter Benjamin Liebherr bringt noch eine andere Ebene ins Spiel: «Wir arbeiten in der Schule oft mit vorgefertigten Inhalten. Fehlen Vorgaben, sind die Schülerinnen und Schüler oft überfordert. Das sieht man jeweils an den Projektarbeiten in der dritten Klasse. Da ist die Themenwahl in vielen Fällen eine Knochenarbeit. Dieser neu geschaffene Gestaltungsraum hilft, die Schülerinnen und Schüler an das freie Arbeiten heranzuführen. Freies Denken muss man lernen.» Er sieht in diesem kreativen Freiraum einen weiteren Schritt in der Unterrichtsentwicklung vom selbst organisierten Lernen hin zu einem Lernen, in dem auch die Lerninhalte selber gestellt werden. «Wohin diese Reise geht, wissen wir nicht, wir sind offen.»
Text: Charlotte Staehelin, Bilder: Grischa Schwank