Weiterentwicklung gymnasiale Maturität (WEGM)
«Komplex» ist wohl das richtige Adjektiv, wenn es darum geht, das aktuell laufende Projekt Weiterentwicklung gymnasiale Maturität (WEGM) zu beschreiben. Zwar wird das Rad nicht neu erfunden: «Unsere Gymnasien stehen nicht unter Legitimationsdruck, sie schneiden im internationalen Vergleich sehr gut ab», resümiert Patrick Langloh, seit Beginn dieses Jahres neuer Leiter Mittelschulen und Berufsbildung. Es brauche daher keine grossen Reformen. Die einzelnen Anpassungen, die aktuell gemacht werden, sind dennoch herausfordernd und verlangen von der Projektleitung Umsicht und Geduld.
Die Vorgaben sind über das Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) national geregelt. In der konkreten Umsetzung jedoch gibt es Handlungsspielraum für die Kantone. Den versucht die Projektleitung nun in engem Austausch mit einer Echogruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Gymnasien und unterschiedlicher Gremien wie der Kantonalen Schulkonferenz (KSBS), den Rektorinnen und Rektoren (AKOM) und dem Verband der Mittelschullehrpersonen (VMBS) möglichst innovativ auszugestalten. Der Vorschlag wird im kommenden August in Konsultation gehen. Konkret umgesetzt werden die Änderungen ab August 2027.
Blick auf die Belastung der Schülerinnen und Schüler
Aufgrund der nationalen Vorgaben bekommen neben Italienisch auch Informatik sowie Wirtschaft & Recht mehr Gewicht und werden in den Kanon der Grundlagenfächer aufgenommen, die beim Abschluss zählen. Die Zahl der Maturitätsnoten steigt damit von 13 auf 15 Noten an. «Damit kommen wir zum Knackpunkt der aktuell laufenden Weiterentwicklung», fasst Langloh zusammen und führt aus: «Der Bedarf an Neuerungen ist unbestritten, doch was fällt weg? Die Belastung für die Schülerinnen und Schüler soll nicht allzu gross werden, doch wenn wir alle Wünsche umsetzen würden, die wir von den verschiedenen Anspruchsgruppen bekommen haben, wären unsere Schülerinnen und Schüler 50 Lektionen pro Woche an der Schule.»
Zu den Inhalten, die in eigenständige Schulfächer gegossen werden, kommt der fluide Bereich der transversalen Themen hinzu. Dazu gehören unter anderem Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), Mobilität, politische Bildung oder Digitalität. «Mit Blick auf die Digitalität sind wir in der komfortablen Lage, dass das stark im Schulalltag verwurzelte Projekt Lernen und Prüfen in einer Kultur der Digitalität (LPKD) eine sehr gute Vorarbeit geleistet hat. Wir lassen die Erkenntnisse aus diesem Projekt in die Neuerungen der Maturitätsprüfungsverordnung (MPV) einfliessen», fasst Hindermann zusammen. Andere transversale Themen sind noch weniger klar profiliert. Diese werden in den kommenden Jahren zusammen mit den Schulen konkretisiert.
Wahlmöglichkeit bei der zweiten Landessprache
Eine weitere Neuerung gibt es bei der zweiten Landessprache. Ab Sommer 2027 müssen alle Schülerinnen und Schüler beim Eintritt ins Gymnasium gemäss nationaler Vorgabe die Wahl zwischen zwei weiteren Landessprachen haben, in Basel sind das Französisch und Italienisch. «Es wird zu Beginn wohl eine Tendenz zur Abwahl von Französich geben, aber Italienisch in kurzer Zeit von null an zu lernen und anzuwenden, darf nicht unterschätzt werden. Ich nehme an, es wird sich mittelfristig bei 60% Französisch und 40% Italienisch einpendeln», prognostiziert Langloh.
Neue Schwerpunktfächer
Veränderungen kann es beim Angebot von Schwerpunktfächern geben. Die Projektleitung schlägt zusätzlich zu den bisherigen Fächern neu Informatik sowie Ernährung, Gesundheit und Sport (EGS) vor. Damit soll eine wissenschaftspropädeutische Vertiefung in Themenfeldern angeboten werden, die bisher am Gymnasium zu kurz kamen. «Die Entscheidung der Schülerinnen und Schüler für ein Schwerpunktfach verändern sich stetig und ist gewissen Moden unterworfen», erklärt die Projektleiterin Judith Hindermann: «Es gab Phasen, in denen alle Spanisch genommen haben, danach war das Schwerpunktfach Biologie und Chemie sehr beliebt.» Schwerpunktfächer spielen eine zentrale Rolle bei der Identifikation der Schülerinnen und Schüler mit einer Fachrichtung und damit auch mit einem Schulstandort. «Aus Kosten- und Organisationsgründen können wir jedoch nicht jedes Schwerpunktfach an allen Standorten anbieten», so Hindermann weiter. In der breiten öffentlichen Konsultation werden vom 14.8. bis am 27.9. Rückmeldungen zu diesem Vorschlag eingeholt.
Patrick Langloh |
Im Januar 2024 übernahm Patrick Langloh die Nachfolge von Ulrich Maier als Leiter des Bereichs Mittelschulen und Berufsbildung am Erziehungsdepartement. Der 58-jährige Wirtschaftswissenschaftler war nach sieben Jahren als Rektor des Bildungszentrums kvBL in Reinach ab 2008 in Basel als Rektor am Wirtschaftsgymnasium und an der Wirtschaftsmittelschule tätig. |
Judith Hindermann |
Dr. Judith Hindermann leitet den Bereich Mittelschulen seit 2022 fachlich, ist stellvertretende Bereichsleiterin und Leiterin des Stabs Mittelschulen und Berufsbildung. Parallel zu ihrer Tätigkeit am Erziehungsdepartement ist sie als Privatdozentin an der Universität Basel in der Latinistik tätig. Davor arbeitete sie sechs Jahre lang als Latein- und Deutschlehrerin in Bern. |
Text: Charlotte Staehelin, Bild: Grischa Schwank