Der Begriff ist ausser Mode, die Idee dahinter aktuell
«Schwester Vreni, ich glaub, der Hensli hat die Pest.» Vreni, Nonne im Kloster Klingental, rafft ihr langes Gewand und steht vom Kräuterbeet auf. Seit Wochen hört man in der Stadt von einer Krankheit, die von Süden kommt und an der die Menschen in Scharen sterben. – Die Szene schildert den Alltag im 14. Jahrhundert und steht stellvertretend für die neue Stadtkunde: Im Beispiel vereinen sich aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse mit lebensnahen Dialogen, die an bekannten Orten in der Stadt stattfinden und so etwa das Mittelalter lebendig werden lassen.
2013 löste «stadtkunde online» den alten Heimatkundeordner ab, nun steht der nächste Entwicklungsschritt an. Wieso wird das Lehrmittel überhaupt überarbeitet? «Einerseits passen gewisse Aufgaben nicht mehr zum aktuell gültigen Lehrplan, andererseits ergab eine Umfrage bei Lehrpersonen und Fachleuten, dass gerade die Online-Version deutlich übersichtlicher und benutzerfreundlicher werden sollte», sagt Historikerin Alexandra Binnenkade, die als Fachexpertin am Pädagogischen Zentrum PZ.BS die inhaltliche Überarbeitung leitet. Im Zuge dieser Überarbeitung verliert die Stadtkunde ihren Zusatz «online», denn dass ein Lehrmittel im Internet präsent ist, scheint im Jahr 2022 selbstverständlich.
Von Lehrpersonen und Fachleuten entwickelt
Vor rund eineinhalb Jahren machte sich ein Team von fünf Lehrpersonen mitsamt einer Begleitgruppe an die Arbeit und überlegte, wie die Stadtkunde so weiterentwickelt werden könnte, dass sie Lernen an und in der Stadt ermöglicht und dabei analoge und digitale Aufgaben kombiniert – vom geologischen Modellbau im Sandkasten bis zur Arbeit mit übereinandergelegten digitalen historischen Karten.
«Wir arbeiten im Team, immer zu zweit pro Kapitel, und suchen Synergien über die Zyklen hinweg» schildert Binnenkade das Vorgehen. Die überarbeitete Stadtkunde werde auch ermöglichen, dass Schülerinnen und Schüler sich auf Spurensuche begeben und danach ihre Funde ins grössere Ganze einordnen können. «Dazu dienen Lernpfade, die das Vor- und Nachbereiten von Exkursionen unterstützen.» Bei der Arbeit profitiert das Entwicklungsteam sowohl von Lehrpersonen, die Aufgaben mit ihrer Klasse erproben, als auch von der Zusammenarbeit mit Fachleuten, etwa von der Stadtgeschichte Basel, der Denkmalpflege oder dem Staatsarchiv.
Mit einem «Spickzettel» auf Exkursion
Die mobile Version der Stadtkunde soll dabei wie ein Spickzettel für die Lehrpersonen funktionieren, sagt Binnenkade: «Man ist in der Stadt unterwegs, steht vor dem Münster und zückt das Smartphone – schon hat man alle Informationen zu den Gruppenaufträgen vor sich oder kann Hörtexte vor Ort abspielen lassen.» Damit die Webseite leicht und intuitiv zu bedienen ist, wird sie gemeinsam mit der Firma LerNetz erstellt, die breite Erfahrung beim Konzipieren von digitalen Lernmedien hat und auch «Heimatkunden» anderer Kantone überarbeitet.
Aber ist denn Heimatkunde nicht etwas antiquiert? «Der Begriff Heimatkunde ist ausser Mode, die Idee dahinter ist aber so aktuell wie eh und je», sagt Binnenkade. «Die Schülerinnen und Schüler schärfen ihren Blick und erleben das eigene Quartier und die Stadt auf neue Weise. Arbeiten mit der Stadtkunde erweitert nicht nur ihr Wissen um den persönlichen Lebensraum, sondern führt zu einer Auseinandersetzung mit der Stadt und vielleicht auch zu einer engeren Verbundenheit mit Basel.»
Stephanie Lori, Pädagogisches Zentrum PZ.BS