«Ein kleiner, aber wichtiger Schritt»
21 Prozent der Sek-Drittklässlerinnen und -Drittklässler haben dieses Jahr direkt im Anschluss an die obligatorische Schule mit einer Lehre angefangen. 2021 waren es noch 18 Prozent. Welche Bedeutung hat diese Zunahme?
Conradin Cramer: Das ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich sehe diese Entwicklung als Ausdruck des Potenzials, das die Berufsbildung mit sich bringt. Da ist zum einen die Berufsvielfalt. Im Vordergrund stehen aber auch die weiterführenden Wege wie zum Beispiel die Berufsmaturität, die auf der beruflichen Grundbildung aufbauen.
Worauf führen Sie die diesjährige Zunahme bei den Direktübertritten in die Berufsbildung zurück?
Einen wesentlichen Beitrag leisten die Schulen. Dabei denke ich etwa an die Berufliche Orientierung: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich ab der 1. Klasse der Sekundarschule mit ihrer beruflichen Zukunft auseinander. Und ich denke an die Fachpersonen der Berufsberatung, die mit ihrem Angebot an den Schulen und im Haus der Berufsbildung an der Rosentalstrasse 17 informieren, beraten und begleiten.
Welche Rolle spielen die Lehrpersonen bei der Berufswahl?
Nur wenige Lehrerinnen und Lehrer kennen die Berufslehre aus eigener Erfahrung. Mir geht es da ja nicht anders. Das mag ein Nachteil sein, wenn die Lehrpersonen ihre Schülerinnen und Schüler und deren Eltern für die berufliche Grundbildung sensibilisieren sollen. Doch sie sind Profis in der Wissensvermittlung und haben das nötige Rüstzeug und Gespür, die jungen Leute mit der Berufsbildung vertraut zu machen. Ihnen stehen auch verschiedenste Angebote zur Verfügung, zum Beispiel «Rent a Stift» für den Unterricht mit den Jugendlichen oder «Rent a Boss» für Elternabende.
Und welche Rolle haben die Eltern bei der Berufswahl?
Eltern prägen junge Menschen auch bei der Berufswahl. Häufig steht für die Eltern der gymnasiale Weg und nicht die berufliche Grundbildung im Vordergrund. Manche von ihnen sind selbst Akademikerinnen und Akademiker und deshalb nicht mit der Berufslehre vertraut, andere sind nicht in der Schweiz aufgewachsen und kennen das durchlässige Schweizer Bildungssystem zu wenig gut. Umso wichtiger ist es, die Eltern in den Berufswahlprozess einzubinden. Die obligatorischen Elternabende in der Sekundarschule etwa haben sich bewährt.
«Es hat mich beeindruckt, junge Berufsleute in ihrem Wirkungsfeld zu erleben und ganz praktische Einblicke in ihre Arbeit zu erhalten.»
|
Trotzdem beginnen in Basel-Stadt im gesamtschweizerischen Vergleich – mit einer durchschnittlichen Übertrittsquote von 46 Prozent – verhältnismässig wenig Jugendliche direkt nach der Sekundarschule mit einer Berufslehre. Weshalb ist das so?
Relevant ist meiner Meinung nach nicht allein die Zahl der Jugendlichen, die unmittelbar nach Abschluss der Sekundarschule – im Alter von 15 oder 16 Jahren – mit einer Lehre beginnen. Wir möchten wo immer möglich verhindern, dass die Jugendlichen unnötige Schlaufen drehen, bis sie den Weg in die Berufsbildung einschlagen. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit noch sehr jung sind. Für viele ist es zu diesem Zeitpunkt einfach noch zu früh, den Entscheid für eine Lehre zu treffen. Auch deshalb halte ich die Arbeit des Zentrums für Brückenangebote ZBA für so wichtig.
Finden die Jugendlichen nach dem Besuch des ZBA den Weg in eine Berufslehre?
Mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler beginnt unmittelbar nach dem ZBA mit einer Lehre, bei den Absolventinnen und Absolventen von Vorkursen und Vorlehren sind es noch mehr. Andere wiederum beginnen erst später mit einer Lehre. Und insgesamt schliessen rund 47 Prozent der in Basel-Stadt lebenden jungen Menschen schlussendlich eine berufliche Grundbildung mit EBA oder EFZ ab. Ich will damit nicht sagen, alles sei gut. Aber es geht in die richtige Richtung. Wir müssen uns auch bewusst sein, dass solche Entwicklungen ein Umdenken voraussetzen, das Zeit braucht und sich nicht von heute auf morgen erzwingen lässt. Ich bin aber überzeugt: Wir können noch mehr junge Menschen nach der obligatorischen Schule für die Berufslehre gewinnen, wenn wir alle gemeinsam an diesem Ziel arbeiten: Lehrpersonen, Fachpersonen, Eltern, Verwaltung, Gewerbe und Politik.
Gibt es Beispiele dafür?
Junge Berufsleute sind wichtige Vorbilder. Diese können wir nutzen. Wie etwa im September an den SwissSkills in Bern: Mehr als 20 Schulklassen sind zusammen mit ihren Lehrpersonen und rund 40 Schulleiterinnen und Schulleitern angereist, um die Berufsmeisterschaften hautnah zu erleben. Auch ich war dabei, und es hat mich beeindruckt, junge Berufsleute in ihrem Wirkungsfeld zu erleben und ganz praktische Einblicke in ihre Arbeit zu erhalten. Ihr spürbarer Berufsstolz war ansteckend und hat mich begeistert.
Interview: Valérie Rhein
Informationen zur Beruflichen Orientierung gibt es auf dem Basler Bildungsserver unter www.edubs.ch/berufliche-orientierung