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Ein Abschluss als Ziel

14.05.2024
Geldsorgen, Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz, Lernschwierigkeiten oder Schulangst: Lernende, die eine zweijährige beruflichen Grundbildung mit Eidgenössischem Berufsattest (EBA) absolvieren, können bei Bedarf auf eine fachkundige individuelle Begleitung (fiB) durch eine speziell qualifizierte Lehrperson zählen. Ziel ist ein gelungener Abschluss mit konkreter Anschlusslösung.
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«Wir können vermitteln und beruhigen», Sandra Bettoni leitet das fiB-Team an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel.

Ein 23-jähriger Mann aus Syrien, der unter finanziellem Druck seinen Lehrvertrag auflösen möchte, um möglichst effektiv Geld für eine dringend notwendige Zahnbehandlung zu verdienen; ein junger Familienvater aus Eritrea, der aufgrund von sprachlichen Missverständnissen kurz vor dem Lehrabschluss seinen Ausbildungsplatz verliert, oder junge Frauen, die mit Verweis auf ihre Familien ihre Ausbildungen nach kurzer Zeit abbrechen, um zu heiraten. Das Team der fachkundigen individuellen Begleitung (fiB) an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel ist mit einer breiten Palette von Fragestellungen konfrontiert. «Die Lernenden kommen aus unterschiedlichen Strukturen mit verschiedenen Vorgeschichten zu uns. Sie bringen zum Teil sehr grosse Rucksäcke mit», resümiert die fiB-Beauftragte der Schule, Sandra Bettoni: «Wir können die Probleme oft nicht selber lösen, dazu braucht es Profis aus anderen Bereichen, aber wir können beruhigen und vermitteln und schauen, dass der berufliche Weg gut läuft.»

Vertrauen als Basis

Das achtköpfige Team um Bettoni ist während der Ausbildungszeit ein Ort der Triage. Es arbeitet eng mit anderen Stellen wie der Fachstelle Lehraufsicht, den Lehrbetrieben, dem Gap-Case Management Berufsbildung, dem Sozialamt, dem Migrationsamt oder der Opferhilfe zusammen. «In einem Standortgespräch zu Beginn der Ausbildung schauen wir, wie der Lernende oder die Lernende eingebettet ist. Gibt es bereits Unterstützung, konstruktive Lösungen, die wir anzapfen können?», erläutert Bettoni.

Die Basis für eine erfolgreiche Begleitung sei wie bei allen pädagogischen Disziplinen ein Vertrauensverhältnis zu den Lernenden: «Das ist der anspruchsvollste Teil der Arbeit, er braucht Zeit und Geduld.» So habe etwa eine junge Frau aus der Mongolei anderthalb Jahre gebraucht, bis sie ein Problem angesprochen habe. «Sie ist vom Typ und von ihrer Sozialisation her sehr zurückhaltend, jetzt haben wir aber Lösungen gefunden und sie ist erleichtert und glücklich.»

Die fachkundige individuelle Betreuung läuft an der Allgemeinen Gewerbeschule über Lehrpersonen, die Berufskunde oder Allgemeinbildung unterrichten und über eine Zusatzausbildung in Coaching verfügen. Das hat den Vorteil, dass die Lehrpersonen die Lernenden im Klassenverband regelmässig sehen, erklärt Bettoni:  «Man spürt, wenn etwas nicht gut ist, und kann während des Unterrichts oder in Pausen klären, ob Redebedarf da ist.»

Abschluss mit Anschlusslösung

Den grössten Teil der Anliegen machen Lernschwierigkeiten aus, gefolgt von Sprachbarrieren. Um bei Bedarf unkompliziert und kostengünstig einen intensiven Sprachunterricht zu ermöglichen, wurde vor zwei Jahren in Zusammenarbeit mit Benevol Schweiz, dem Dachverband für Freiwilligenarbeit, ein Pool an Freiwilligen geschaffen. So erhalten Lernende, die erst kurz in der Schweiz, aber sehr motiviert sind, parallel zu den schulischen Förderkursen die Möglichkeit, ihre Deutschkenntnisse in kurzer Zeit zu verbessern.

Ziel des fiB-Angebots ist ein gelungener EBA-Abschluss mit einer konkreten Anschlusslösung. Das erfordert von den Lehrpersonen Offenheit, wie Bettoni betont: «Wir sind für alle da, unabhängig von ihrem Hintergrund, woher sie kommen und wohin sie gehen. Man darf die Leute nicht erziehen, sie sollen in ihrem Leben machen, was sie wollen und müssen nicht im gelernten Beruf bleiben. Das Wichtigste sind ein Abschluss und ein gestärktes Selbstwertgefühl, die Fähigkeit, selber konstruktive Lösungen zu finden. Wie die dann aussehen, ist offen.»

Text: Charlotte Staehelin, Foto: Grischa Schwank

Fachkundige individuelle Begleitung (fiB)

Seit 2005 ist die fachkundige individuelle Begleitung fester Bestandteil der zweijährigen beruflichen Grundbildung mit Eidgenössischem Berufsattest (EBA). Das freiwillige Unterstützungsangebot ist auf nationaler Ebene verankert und setzt bei den Bedürfnissen der Lernenden an. Ziel ist ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss. In den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft ist die Umsetzung innerhalb von bikantonal verabschiedeten Richtlinien an die einzelnen Schulen delegiert.

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