Nationalspielerin Lara Marti im Interview
«Ich möchte eine Starspielerin sein»
Basler Schulblatt: Wollten Sie schon immer Fussballerin werden?
Lara Marti: Nein. Ich sagte als Kind nie, dass ich Fussballerin werden will. Meine Eltern liessen mich einfach machen, was mir Spass macht. Weil ich das gewisse Talent dafür habe, viel Zeit investierte und die Unterstützung bekam, hat sich mein Leben in diese Richtung entwickelt. Ich habe den Fussball immer mit Freude verbunden und irgendwann hat sich die Tür zum Profi-Fussball aufgemacht.
Wie fühlt sich das an, Fussballerin zu sein?
Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte und damit mein Geld verdienen kann. Es ist nicht selbstverständlich. Ich bin froh, am Morgen nicht ins Büro zu müssen und dass ich nicht dort meine Tage verbringe. Ich darf viel erleben durch den Fussball. Ich arbeite gerne mit dem Körper und bin gerne unter Menschen. Das Gemeinschaftsgefühl ist cool – und dass ich jeden Tag besser werden kann. Natürlich gibt es auch Tage, da denke ich: Oh, heute schon wieder Training! (lacht)
Wie haben Sie den Fussball für sich entdeckt?
In meiner Familie spielte niemand Fussball. Ich war im Kunstturnen, wie mein Bruder. Als er damit aufhörte und mit Fussball anfing, wollte ich auch zum Fussball wechseln. Ich, als kleine Schwester, wollte machen, was mein grosser Bruder macht. So hat das angefangen.
War es einfach, ein Team zu finden?
Mein Bruder spielte beim FC Liestal und meine Eltern wollten mich auch in Liestal unterbringen. Der FC Liestal nahm damals noch keine Mädchen auf. Der FC Lausen allerdings war bereit, mich als Mädchen mit den Jungs mittrainieren zu lassen. Da fand ich meinen Platz. Sie waren auch bereit, für mich eine Kabine zu organisieren. Oft war ich in der Kabine des Schiedsrichters, weil es bei Auswärtsspielen nicht geplant war, dass noch ein Mädchen mitkommt. Das waren noch diese Zeiten…
Wie ist es denn heute? Hat es sich verändert?
Ja, ich habe das Gefühl, dass allgemein mehr Mädchen früher anfangen, Fussball zu spielen. Bei mir gab es noch nicht genug Mädchen, um Mädchenmannschaften zu bilden. Inzwischen gibt es genug Mädchen, um eine U9 zu bilden. Es gibt U10, U12... und so weiter. Noch nicht jeder Verein ist so aufgestellt, aber immer mehr sind es.
Später haben Sie vom FC Lausen doch zum FC Liestal gewechselt.
Es waren vielleicht drei bis vier Jahre vergangen und der Club war bereit, mich aufzunehmen. Der FC Liestal hat in den höchstmöglichen Ligen gespielt. Ich wusste, dass es gut ist, nach Liestal zu wechseln – wenn ich den Sport leistungsorientiert machen will. Da spielte ich in meiner Kategorie auf dem besten Niveau. Für Liestal war es in Ordnung, dass ich als Mädchen mit den Jungs mitspiele. Nach einer gewissen Zeit kam noch ein anderes Mädchen dazu.
Wie alt waren Sie zu der Zeit?
Ich war vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt und besuchte die Sekundarschule in Liestal. Als ich für den FC Liestal spielte, merkte ich, dass ich ein bisschen mehr Talent habe als andere, weil ich mit den Jungs gut mithalten konnte. Da bin ich aufgefallen und wurde vom Verein gefördert. Dann kam ich in die Regionalauswahlen und merkte, dass es in Richtung Leistungssport geht.
Gingen Fussball und Schule gut aneinander vorbei?
Es war schon viel, alles unter einen Hut zu bringen. Während meiner Zeit beim FC Liestal trainierte ich vier Mal in der Woche nach der Schule. Ich bin von meinen Eltern stark unterstützt worden. Irgendwann wurden die Wege auch länger und ich ging in Basel ins Training und nicht nur in Liestal. Irgendwie hat man es immer hingekriegt – auch wenn es manchmal anstrengend war. Ich hatte die Unterstützung von Schule, Verein und daheim.
Wie hat Sie die Schule unterstützt?
In der Sekundarschule gab es erste Sportlösungen. Ich habe den Sportunterricht nicht mehr ganz mitmachen müssen, sondern wurde teilweise freigestellt – weil ich neben der Schule viel Sport gemacht habe. Mit dem Wechsel zum FC Basel trainierte ich noch mehr, da besuchte ich aber schon die Wirtschaftsmittelschule in Reinach und war in einer Sportklasse.
Was war das für eine Sportlösung, die die Wirtschaftsmittelschule (WMS) anbot?
Die WMS dauert normalerweise vier Jahre, ein Jahr davon Praktikum. Ich war in einer Sportklasse und besuchte die Schule nicht vier Jahre, sondern fünf Jahre lang. Wir hatten einen minimierten Stundenplan mit 25 Lektionen pro Woche. Ich konnte so meine zwei Morgen- und vier Abendtrainings besuchen. Ich musste nichts nachholen, weil ich nicht viel verpasste. Das hat gut geklappt. Fünf Jahre kamen mir sehr lange vor, aber im Nachhinein bin ich froh, habe ich es in fünf Jahren gemacht, weil sonst hätte ich es schulisch nicht geschafft.
Wie kam es zum Wechsel zu den FCB-Frauen?
Ich habe mich dafür entschieden, möglichst lange bei den Jungs mitzuspielen. Es gibt mehr Jungs, es gibt mehr Mannschaften und ich werde mehr gefördert. Der Fussballverband war auch Fan davon, dass die Mädchen, die Talent zeigen, möglichst lange bei den Jungs spielen. Irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich wusste, dass es der richtige Schritt ist, in eine Frauenmannschaft zu wechseln – irgendwann werden die körperlichen Unterschiede zu gross und man kann nicht mehr mithalten als junge Frau.
Mit 15 Jahren kam ich in die U18 Mädchenmannschaft beim FC Basel. Danach kam ich relativ früh in die Frauenmannschaft des FC Basel. Ich glaube, schon mit 16, 17 Jahren. Da wurde es noch zeitintensiver und ich bin zwischen den Trainingsfeldern beim Joggeli, der WMS in Reinach und meinem Zuhause in Lupsingen gependelt.
Wann wurde der Fussball für Sie zum Beruf?
Zum Beruf wurde der Fussball erst, als ich ins Ausland wechselte. Zuerst war ich dreieinhalb Jahre in Leverkusen und jetzt spiele ich seit Januar in Leipzig. Als ich beim FC Basel bei den Frauen spielte, war es relativ professionell, aber ich konnte noch nicht davon leben. Ich war noch Schülerin und verdiente wenig Geld mit dem Fussball.
Sie spielen auch im Schweizer Nati-Team - und das seit vielen Jahren!
Ich bin seit vier bis fünf Jahren regelmässig nominiert worden. In die Nati kommt man, wenn man die Leistungen im Verein bringen kann. Wegen meiner Verletzungen konnte ich die nicht bringen in den letzten Monaten. Für mich ist es ganz wichtig, dass ich gesund bleibe und meine Leistungen bringen kann. Es ist mein Ziel, in der Nati eine Stammspielerin zu sein und natürlich auch bei der UEFA Women’s Euro 2025 eine tragende Rolle zu spielen. Ich möchte eine Starspielerin der Nati sein.
Mit der Europameisterschaft 2025 im eigenen Land steht für die Schweizer Nati ein echtes Highlight bevor. In Basel wird das Schweizer Team das Turnier eröffnen. Welche Bedeutung hat das Ereignis für Sie?
Mein Traum ist es, im Joggeli rauszulaufen und mit der Nati das Eröffnungsspiel zu spielen. Es werden so viele Leute da sein, zu denen ich irgendwie eine Verbindung habe. Als junge Frau bin ich jeden Tag durch die St. Jakobsanlage gelaufen und habe dort auf den Trainingsfeldern trainiert. Dort ist meine Heimat. Ich habe dort so viel Zeit verbracht. Es ist ein sehr schöner Gedanke und ein Traum von mir, das zu erleben. Ich strebe es an und tue alles dafür.
Was sind Ihre Hoffnungen für die Fussball-EM der Frauen?
Ich konnte dieses Jahr die Fussball-EM in Deutschland miterleben. Deutschland ist eine Fussballnation. Ich erhoffe mir das auch für die Schweiz: Dass wir als Nati die Bevölkerung begeistern können und dass viele einheimischen Fans zu den Spielen kommen. Ich wünsche mir tolle Stimmung und dass die ganze Schweiz das Turnier verfolgt, den Event Frauenfussball.
Was muss sich bei der Förderung von Mädchen und Frauen im Fussball noch verbessern?
Es ist wichtig, dass die Förderung ganz früh anfängt. Bei den Jungs fängt es bei der U9 an oder sogar noch früher. Auch die Mädchen, die spielen wollen, sollen möglichst früh den Zugang haben, den die Jungs haben. Das wünsche ich mir sehr für die Förderung des Frauenfussballs.
Ausserdem verliert man im Frauenfussball viele junge Frauen zwischen 13 und 17 Jahren. Das ist eine Phase, in der man sich neu erfindet. Da fragt man sich: Will ich das wirklich? Den Mädchen wird es nicht einfach gemacht und man muss es wirklich wollen. Nicht alle haben das Glück, das ich hatte. Meine Eltern haben mich sehr unterstützt. Bei den Jungs ist die Unterstützung der Eltern auch nicht gegeben, aber dort werden die jungen Erwachsenen aufgefangen durch die vorhandenen Strukturen. Ich hoffe, dass der Frauenfussball bei uns noch mehr gefördert wird und dass die Fussball-EM der Frauen die Förderung vorantreibt. Es soll eine Euphorie bei den jungen Mädchen und bei den Fussballvereinen ausbrechen. Denn wir müssen noch einige Schritte machen.
Tamara Funck
Zur Person Lara Marti ist in Lupsingen aufgewachsen und hat beim FC Lausen ihr Fussballtalent entdeckt. Aktuell steht die Verteidigerin bei RB Leipzig unter Vertrag. Davor wohnte und spielte sie dreieinhalb Jahre in Leverkusen. |
An der EM 2025 dabei sein! Die UEFA Women’s Euro 2025 findet vom 2. bis 27. Juli in der Schweiz statt. Fünf Spiele – unter anderem das Eröffnungs- und Finalspiel – finden im Basler St. Jakob-Park statt. Tickets sind seit 1. Oktober 2024 im Vorverkauf verfügbar und kosten zwischen CHF 25 und 90: de.uefa.com/womenseuro/ticketing In allen acht Städten der UEFA Women’s Euro 2025 werden ausserdem freiwillige Helferinnen und Helfer gesucht. Interessierte können sich über folgenden Link informieren und anmelden: volunteercommunity.uefa.com |