Im Dienste der Berufsbildung

Wir öffnen die Türe zur Fachstelle Lehraufsicht. Welches Bild ergibt sich, was sind die wichtigsten Bereiche und Aufgaben?
Wir sind dafür verantwortlich, dass die Berufsbildung in unserem Kanton rund läuft. Das heisst, wir kümmern uns um die Lernenden, um die Betriebe und um die Ausgestaltung der rund 6000 Lehrverhältnisse. Dazu gehören sehr viele unterschiedliche Themen. Wir erteilen Bildungsbewilligungen, bieten Ausbildungskurse für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner an oder koordinieren zwischen den Lehrbetrieben, den Berufsfachschulen und den überbetrieblichen Kursen (ÜK). Wir sind keine Juristinnen und Juristen, aber wir haben die Verantwortung dafür, dass die gesetzlichen Grundlagen korrekt vollzogen werden. In dieser Sache stehen wir in einem engen Austausch mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA), den Verbänden und den Organisationen der Arbeit (OdAs). Dabei ist uns wichtig, immer alle beteiligten Parteien an einen Tisch zu bekommen. Da die Berufsbildung als Verbundpartnerschaft zwischen dem Bund, den Kantonen und den OdAs funktioniert, gibt es auch da einen grossen Koordinationsbedarf. In unserem Büro geht es oft zu wie in einem Bienenhaus.
Seit August 2024 wurden gut 400 Lehrverhältnisse wieder aufgelöst. Was machen Sie, wenn es nicht rundläuft?
Uns sind Transparenz und Austausch wichtig. Wir ermuntern die jungen Leute, immer als Erstes, das Gespräch mit dem Lehrbetrieb zu suchen. Wir möchten nicht, dass es hintenherum läuft. Wenn sie Unterstützung benötigen, bieten wir einen runden Tisch an. Eine diffizile Zeit ist der Beginn einer Lehre. Der Schritt von der Schule in die Berufswelt fällt nicht allen gleich leicht. Es ist ein Systemwechsel. Plötzlich stellen Berufsschule, überbetriebliche Kurse und Lehrbetrieb unterschiedliche Anforderungen. In einem Lehrverhältnis besteht eine höhere Verbindlichkeit als in der Schule. Erscheint jemand nicht bei der Arbeit, hat das eine direkte Auswirkung auf den Betrieb. Die Lernenden werden stärker in die Pflicht genommen. Das kann in der Summe überfordernd sein. Daher ist es wichtig, dass die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner die nötige Empathie mitbringen. Es geht darum, die jungen Menschen langsam an die wirtschaftliche Realität heranzuziehen. Sodass sie am Ende der Ausbildung arbeitsmarktfähig sind und neben dem Fachwissen auch gelernt haben, was eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber von ihnen in ihrer Rolle als Arbeitnehmende erwartet. Fällt uns auf, dass es in einem Betrieb gehäuft zu Abbrüchen, schlechten Abschlüssen oder Problemen mit einzelnen Lernenden kommt, schauen wir genauer hin. Wir geben konkrete Massnahmen zur Verbesserung vor. Wenn die Umsetzung nicht klappt, kann das zum Entzug der Bildungsbewilligung führen.
Was sind die Freuden und die Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag?
Einer der schönsten Momente im Jahreszyklus ist die feierliche Übergabe der Zeugnisse. Da kommt so viel positive Energie zusammen, zu der wir einen Teil ja auch beigesteuert haben. Besonders erfreulich ist es, wenn wir an der Lehrabschlussfeier Jugendliche treffen, mit denen wir Kontakt hatten, die in schwierigen Situationen steckten und es dennoch geschafft haben.
Herausfordernd wird es, wenn wir auf schwierige soziale oder familiäre Verhältnisse stossen, wo uns die Hände gebunden sind. Wiederholt treffen wir auch die Situation an, dass eine Lernende oder ein Lernender vom Elternhaus her in ein Korsett gesteckt und in einen Beruf gepusht wird, der im Kern gar nicht passt. Diese Muster zu durchbrechen ist schwierig. Eine andere Herausforderung ist es, wenn wir merken, dass wir von irgendeiner Partei instrumentalisiert werden. Da müssen wir die Rollen sorgfältig auseinanderhalten.
Haben Sie eine Botschaft für die Lehr- und Fachpersonen unserer Schulen?
Ja: Es ist uns ein Anliegen, dass die Schülerinnen und Schüler so oft wie möglich schnuppern. Sie sollen direkt in den Betrieben ihre Erfahrungen machen können. Was etwa heisst es, im Sommer auf einer Baustelle zu stehen? Wie fühlt es sich an, im Winter in einem Gebäude zu stehen, in dem noch keine Fenster montiert sind? Es kommt auch immer wieder vor, dass eine Berufsbildnerin oder ein Berufsbildner während eines Schnuppertags bei einem jungen Menschen ein Talent entdeckt, das diesem gar nicht so klar bewusst war. Wir empfehlen den jungen Leuten, denselben Beruf in einem KMU und in einem Grossbetrieb anzuschauen. Das sind oft ganz unterschiedliche Berufsrealitäten. Berufsmessen, Beratungsgespräche, Prospekte oder Videos helfen bei der Information, sie ersetzen aber die konkreten Ausflüge in die Berufsrealität nicht.
Und was geben Sie den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern der Lehrbetriebe mit?
Der beste Berufsbildner oder die beste Berufsbildnerin ist in unseren Augen streng, fair und klar. Rückblickend wird das von den Lernenden geschätzt. Die Jugendlichen in Watte zu packen und alles aus dem Weg räumen, ist nicht die Lösung. Idealerweise sollte man die jungen Leute ihre Erfahrungen machen lassen, aber dann auch da sein, wenn sie einen brauchen.
Aktuell nehmen Lehrbetriebe mangels Alternativen ab und an Jugendliche auf, die von ihren schulischen Fähigkeiten her überfordert sind. Davor möchten wir warnen. Es führt oft auf beiden Seiten zu Frustration. Aber natürlich gibt es auch Schülerinnen und Schüler, die erst aufblühen, wenn sie das abstrakte Schulwissen in der Praxis umsetzen können. Wenn sie etwa das Volumen eines Motors oder den idealen Winkel, um ein Blech zu biegen, berechnen sollen. Die Motivation spielt in der Berufsbildung eine grosse Rolle.
Und dann möchten wir auch dazu ermutigen, die Eltern ins Boot zu holen. Viel wird nämlich am Esstisch beredet und entschieden. Da ist es zentral, dass die Eltern mitziehen.
Fachstelle Lehraufsicht | Haus der Berufsbildung | Rosental 17 | 4058 Basel |
In der Fachstelle Lehraufsicht arbeiten unter der Leitung von Cristoforo Graziano acht Berufsinspektorinnen und -inspektoren, sechs Sachbearbeiterinnen und eine Lernende. Aktuell sind im Kanton Basel-Stadt rund 6000 Lehrverhältnisse aktiv. Am meisten Lernende gibt es in den Bereichen Kaufmann/-frau EFZ (744 Lehrverträge), Fachfrau/-mann Gesundheit EFZ (612), Fachmann/-frau Betreuung EFZ (587), gefolgt von Informatiker/in EFZ (306), Elektroinstallateur/in EFZ (211) und Montage-Elektriker/in EFZ (157) |
Text: Charlotte Staehelin, Foto: Grischa Schwank