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Immer mehr Schülerinnen und Schüler

26.09.2024
Seit Jahren wächst die Bevölkerung im Kanton Basel-Stadt und auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Stadtbasler Schulen steigt stark an. Dieses Wachstum wird von der Kantonsregierung begrüsst und durch diverse «Arealentwicklungen» begünstigt. Allerdings kann die Bereitstellung von Schulraum mit dieser Entwicklung nicht mithalten. Was sind mögliche Gründe dafür?
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Lernende der Primarstufe und der Sekundarstufe I: erwartete Entwicklung nach Kanton 2014-2024. Quelle BFS-Bildungsperspektiven: Schon 2015 lagen die drei Szenarien vor. Basel-Stadt? Ganz links!

Einerseits besteht der vom Regierungsrat formulierte Grundsatz: Bei neuen Schulbauten darf kein «Bauen auf Vorrat» erfolgen. Schulraum wird erst gebaut oder auf andere Weise bereitgestellt, wenn ein nachweislicher Bedarf geltend gemacht werden kann. Ein solcher Bedarfsnachweis muss durch ein kantonseigenes Prognose-Tool abgestützt sein. Dieses ist bei seiner Einführung 2020 aber zu wenig ausgereift. Und es berücksichtigt entscheidende Faktoren nicht: z.B. «Arealentwicklungen» und die damit verbundenen «Wohnszenarien». Auch Migrationsbewegungen fliessen nicht in die Berechnungen ein. Hinzu kommt noch das «verantwortungsdiffundierende» Drei-Rollen-Modell (ED als «Besteller», BVD als «Ersteller», FD als «Geldgeber») sowie die circa zehnjährige Planungs- und Bauzeit von Schulbauten.

Bedarfsberechnungen zu tief

Aufgrund der genannten Umstände war gewährleistet, dass der zur Verfügung stehende Schulraum dem tatsächlichen Bedarf zum entsprechenden Zeitpunkt X nicht entsprechen konnte. Und zwar im gesamten Kanton Basel-Stadt, also auch bei den Gemeindeschulen in Riehen und Bettingen.

Zwar haben verschiedene Prognosen wie der nationale «Bildungsbericht Schweiz» oder der regionale «Bildungsbericht Nordwestschweiz» das Wachstum an Schülerinnen und Schülern recht präzise vorhergesagt, dennoch führte dieses Wissen nicht dazu, dass mehr Schulraum geplant und somit auch möglichst bedarfs- und zeitgerecht zur Verfügung gestellt werden konnte.

Denn die kantonalen Bedarfsberechnungen waren jeweils zu tief und integrierten die prognostischen «Referenzszenarien» des Bundes zu wenig. Diese hatten für 2014-2024 im sog. Referenzszenario ein Wachstum von rund 22% in der Volksschule Basel-Stadt errechnet (siehe Grafik). Und für 2021-2031 wird für BS noch immer ein Wachstum von rund 9% vorausgesagt. Mitzudenken ist: Zusätzlichen Raumbedarf werden ab Schuljahr 2025/26 auch neuen Massnahmen zur integrativen Volksschule (Lerninseln, Fördergruppen, Förderklassen) sowie der fortschreitende Ausbau der Tagesstrukturen auslösen.

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Wie viel Verdichtung (v)ertragen die Basler Schulen?

Verdichtung als Lösung für die Schule?

Der Regierungsrat betont, dass trotz des knappen Raumangebots «jeder Schülerin und jedem Schüler auf jeder Schulstufe rechtzeitig ein Platz zur Verfügung gestellt werden konnte». Hier stellen sich allerdings quantitative und qualitative Folgefragen: Wenn kaum beziehungsweise zu wenig zusätzlicher Schulraum entstanden ist, wo und wie werden diese Schülerinnen und Schüler unterrichtet?

Einer der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage ist das Prinzip der Verdichtung: Schulisch geht es hier zum einen um den Anstieg der durchschnittlichen Klassengrössen. Inzwischen entspricht der gesetzlich fixierte Maximalwert der Klassengrösse häufig der durchschnittlichen Klassengrösse. Zudem kommt es zur fast flächendeckenden Umnutzung von Räumlichkeiten, was den in den schulischen «Raumstandards» genannten Qualitätskriterien widerspricht: So verschwinden beispielsweise Gruppenräume und Spezialräume für Schülerinnen und Schüler, da sie als Klassen- bzw. Fachzimmer umgenutzt werden (müssen); Mischnutzungen nehmen zu – zum Beispiel auch bei der gemeinsamen Nutzung von Räumen für Unterricht und Betreuung (Tagesstruktur).

Nutzungskonflikte

Was effizienzsteigernd gemeint sein mag, führt in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Nutzungsbedürfnisse zu vielfältigen Nutzungskonflikten. Zum Teil findet der Unterricht oder die Betreuung auch in wenig geeigneten Räumlichkeiten statt. Und die - zur vorübergehenden Nutzung gedachten - Temporären Schulbauten (TSB) stehen als permanente Provisorien auf verengten Pausenplätzen und Grünanlagen.

Bezüglich der Umnutzung von Räumlichkeiten werden zur Zeit von der Abteilung «Raum und Anlagen» für alle Standorte «Layouts» über die tatsächliche aktuelle Raumnutzung erstellt. Sie können dann mit der ursprünglich vorgesehenen Raumnutzung abgeglichen werden. Wie viele für pädagogische und fachliche Bedürfnisse und Qualitäten gedachte Räume wohl inzwischen verloren gegangen sind?

Text: Simon Rohner und Mike Bochmann Grob (Präsident und Vizepräsident KSBS)

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