Kein Sprung ins kalte Wasser
Oh my god! The Queen of England herself! Die vierte Klasse im Thierstein-Schulhaus ist tief beeindruckt von der eleganten Dame mit Kostüm und Hut. Ausnahmsweise nicht in bright colours, sondern in Schwarz, denn sie ist in Trauer. Trotzdem wirkt sie recht fröhlich. Sie ist ja auch nicht wirklich die Königin von England, sondern Frau Sattler. «I am your English teacher», stellt sie sich vor, woraufhin sich auch die Kinder der Reihe nach vorstellen dürfen. «I am …» Oder: «My name is …»
Es ist kurz vor den Sommerferien. Bald werden diese Viertklässler in der fünften Klasse sein und mit dem Englischunterricht beginnen. Das hier war ein erstes Eintauchen in das neue Fach, ein erstes Kennenlernen der neuen Lehrerin, ein «Annetzen» quasi. Denn es ist Wellentag in der Primarschule Thierstein, der Tag, an dem (fast) alle momentanen und künftigen Schülerinnen und Schüler des Standorts sanft auf eine neue Stufe oder in ein neues Fach geschaukelt werden.
Besonders herausfordernd für die Jüngsten
Besonders für jene Schülerinnen und Schüler, die eine neue Schulstufe in Angriff nehmen, sind die ersten Tage und Wochen jeweils eine grosse Herausforderung. Das gilt ganz besonders für jene, die in den Kindergarten oder in die erste Klasse eintreten. Und auch für die Lehr- und Fachpersonen ist eine neue Klasse jedes Mal wieder ein Neuanfang. Am Primarstandort Thierstein ist man sich dieser Hürden seit Langem bewusst. Bereits zum vierten Mal fand darum dort Mitte Juni der mittlerweile traditionelle Wellentag statt. Wellentag, weil an diesem bestimmten Tag alle Kinder schön langsam in ihre künftige Schulwelt eintauchen dürfen – diejenigen, die bereits an der Schule sind, und diejenigen, die nach den Ferien neu dazukommen, Kindergartenkinder inklusive. Für die Jüngsten ist der Schritt besonders gross, sei es der Eintritt in den Kindsgi oder jener in die erste Klasse.
Spielverderber Corona
Doch ausgerechnet für sie konnte heuer der Wellentag nicht wunschgemäss durchgeführt werden. Spielverderber war natürlich Corona: Klassen sollten nicht gemischt werden. Normalerweise wären die künftigen Erstklass-Kinder, die ja aus verschiedenen Kindergärten kommen, von ihren Kindergärtnerinnen auf den Schulhof begleitet worden, hätten eine farbige Ansteck-Brosche erhalten und wären in ihr Klassenzimmer zu ihrer künftigen Lehrperson gebracht worden. Dort hätte man sich kennengelernt und zusammen Znüni gegessen. Die Kinder hätten das grosse, auch etwas einschüchternde Schulhaus erlebt, wären liebevoll willkommen geheissen worden und hätten ihre neuen Klassenkamerädli ein erstes Mal gesehen. Hätten.
Parallel dazu hätten an diesem Vormittag neu eintretende Kindergartenkinder ihren künftigen Kindergarten besuchen dürfen. Auch das durfte so nicht stattfinden. Natürlich wurden Alternativen gefunden, aber schade war das schon. Ein solcher Schnuppertag nimmt erfahrungsgemäss viel Druck vom ersten Schul- oder Kindergartentag, sodass sich die Kinder in den Sommerferien viel entspannter auf diesen grossen Schritt in ihrem Leben freuen können. Der Wellentag wurde denn auch in erster Linie für diese beiden Stufen erfunden. Umso enttäuschter war das Kollegium von den widrigen Umständen in diesem Jahr.
Auf fast alle kommt Neues zu
Es galt, das bewährte Programm anzupassen, vieles konnte ja trotzdem stattfinden. Die Zweitklässler durften bei Frau Feuz eine erste Französischlektion erleben, sich auf Französisch vorstellen und ein Namensschild gestalten, das sie dann in die erste richtige Französischstunde nach den Ferien mitbringen sollten. Die Drittklässler fanden sich in ihrer künftig neuen Zusammensetzung bei ihren neuen Klassenlehrpersonen ein und durften schon mal einen Blick auf den neuen Stundenplan werfen. Die Viertklässler erfuhren Wichtiges zum Thema Bewertung, denn ab der 5. Klasse erhalten sie Noten – nicht ganz unwichtig für ihre weitere Schulkarriere. Und: Sie werden neu Englisch haben.
Den Sechstklässlern schliesslich steht ein ähnlich grosser Schritt bevor wie zu Beginn ihrer Schulzeit: Sie kommen in die Sekundarschule und verlassen das vergleichsweise behütete Umfeld ihrer vertrauten Primarschule. Auch sie werden sanft auf die kommende Stufe geschaukelt. In der Aula versammelt, erfahren sie das Wichtigste aus erster Hand, und zwar von vier ehemaligen Thierstein-Schülerinnen und -Schülern, die jetzt verschiedene Sekundarschulen besuchen. Leider geht das nur online via Zoom, was für die online-gewohnten Jugendlichen aber nicht weiter problematisch ist. So werden sie halt live per Beamer über Abläufe, Regeln und Angebote wie Mensa, Tagesstruktur oder Fussballfelder an den Sekundarschulen orientiert. Es gibt auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Der Aufwand lohnt sich
Der Aufwand des Thierstein-Kollegiums bei der Planung und Durchführung des ersten Wellentages war enorm. Es war ein logistischer Kraftakt, alle 16 Schulklassen nach getaktetem Zeitplan so einzuteilen und bestimmten Lehrpersonen und Zimmern zuzuordnen, dass alles geordnet abläuft; im Normalfall unter Einbezug aller sechs Kindergärten des Standorts und so weit möglich auch der externen Kinder, die von anderen Standorten ans Thierstein wechseln. Alle beteiligen sich jeweils, egal, wie sehr sie grad selber betroffen sind. Immerhin: Ab der zweiten Durchführung war der Aufwand nicht mehr so hoch, weil sich Automatismen eingespielt hatten. Ein Kränzchen windet das Organisationsteam der Schulleitung, die jeweils die Einteilung der Lehrpersonen und das Schreiben der verschiedenen Briefe an die jeweiligen Zielgruppen übernimmt. Dass sich die Mühe lohnt, darüber ist man sich einig. Ähnliche Aktionen kennen übrigens auch die Standorte Bruderholz und Bläsi. – Der nächste Wellentag wird dann hoffentlich wieder ohne Corona-Einschränkungen stattfinden.
Yvonne Reck Schöni (Text und Fotos)