Ein Jahr unterwegs mit Schulleitungen / Teil 3
Der Schulleiter macht ein Praktikum
Daniel Morf, Schulleiter der Sekundarschule De Wette
«Seit bald neun Jahren bin ich Schulleiter im De Wette. Irgendwann kam bei mir die Frage auf, welcher der nächste Schritt in meiner Karriere sein wird. Mein Chef Christian Griss machte mich auf das Programm potenzial@bs aufmerksam. Das Förderprogramm des Kantons Basel-Stadt ist für Personen gedacht, die noch nicht im Kader tätig sind, aber das Potenzial dafür haben. Ausserdem darf man den Schritt aus dem eigenen Departement nicht scheuen. Das hat mich unheimlich gereizt – also habe ich mich beworben.
Benötigt werden eine Empfehlung der vorgesetzten Person, ein Motivationsschreiben und die Teilnahme an einer Prüfung. Im anschliessenden Auswertungsgespräch erhielt ich für beide möglichen Optionen eine Empfehlung: für die Führungsaufgabe wie auch für das Projektmanagement. Im Rahmen eines mehrstündigen Assessment stellte sich heraus, dass niemand so recht wusste, wohin mit mir. Durch meine bereits vorhandene Führungserfahrung war ich im Prinzip überqualifiziert für das Förderprogramm.
Dann kam José Cortés ins Spiel. Er ist der Chef-Informatiker im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) und er war einer der Beobachter in meinem Assessment. Er fand mich interessant – obwohl ich von Informatik nicht mehr weiss, als viele andere. Es entstand ein «Deal»: Ich mache ein Praktikum im Bereich Informatik des WSU – jeden Freitag, bis zu den Sommerferien. Im Gegenzug beteilige ich mich finanziell daran.
An einem Freitagnachmittag im November ging es endlich los und ich erhielt den Schlüssel zum WSU. Noch am selben Tag wurde die Homeoffice-Pflicht verhängt. Von da an konnte ich niemanden mehr persönlich kennenlernen und keine Gebäude mehr besuchen. Freitags sass ich jeweils vor dem Computer und beobachtete stundenlang Teams-Sitzungen. Ein Anpacken ergab sich am Anfang kaum. Doch die Leute waren toll und haben mich wohlwollend empfangen.
Und hier stehe ich nun, mitten in meinem Praktikum. Die Informatik ist enorm spannend – von der Security bis hin zum Records Management. Die Einblicke wurden laufend tiefer und ich habe den Eindruck, dass mein Aussenblick und meine Fähigkeiten geschätzt werden.
Es ist angedacht, dass ich mittelfristig im Rahmen des Förderprogramms bei einem grösseren Projekt mitarbeiten kann.»
Aufgezeichnet von Jacqueline Visentin
«Selbst Ziele setzen und Leistungen einschätzen»
Claudia Stern, Schulleiterin Primarstandort Gotthelf
«Im Moment befassen wir uns an unserer Schule unter anderem mit erweiterten Beurteilungsformen und mit dem Aufbau einer Beurteilungskultur. Damit wollen wir die Möglichkeiten unserer Schullaufbahnverordnung mehr ausnutzen, als wir das bis anhin getan haben. Unser Ziel ist eine differenzierte Gesamtbeurteilung der Schülerinnen und Schüler, die den Kindern und den Eltern sowohl individuelle Fortschritte als auch nächste Entwicklungsschritte aufzuzeigen vermag.
Wo steht mein Kind, welches sind seine Stärken und wo sollte es vertieft an seinen Kompetenzen arbeiten? Solche Fragen stellen sich die Eltern unserer Schülerinnen und Schüler ganz besonders mit Blick auf den Übertritt in die Sekundarschule. Und sie denken dabei vor allem an Noten. Noten sind aber lediglich eine Momentaufnahme. Und Noten lösen bei Kindern Druck aus. Dabei ist Beurteilung so viel reicher und bunter als das arithmetische Mittel von Einzelbeurteilungen.
Letztes Jahr sind wir auf ein sogenanntes Ampel-System aufmerksam geworden, das uns überzeugt, weil es ressourcenorientiert angelegt ist. Das Kind lernt dabei, sich selbst Ziele zu setzen und seine Leistungen einzuschätzen. Ein Beispiel: Ein Schüler macht beim Bruchrechnen viele Flüchtigkeitsfehler. Bei einer Aufgabe oder Prüfung setzt er sich das Ziel, fünf der zehn Aufgaben ohne Flüchtigkeitsfehler zu lösen. Der Schüler löst schliesslich sechs Aufgaben richtig und übertrifft damit sein Ziel. Die Ampel auf dem von der Lehrperson bewerteten Aufgabenblatt ist grün. Auch wenn gleichzeitig ein ‹g› auf dem Blatt stünde: Zielsetzung, Selbsteinschätzung und grüne Ampel geben dem Schüler ein vielfältigeres Feedback als nur eine Note.
Für uns ist wichtig, die Erweiterung von Beurteilungsformen als offenen Prozess mit dem Kollegium zu entwickeln und gemeinsam über Chancen, Risiken und Stolpersteine nachzudenken. Wichtig wird natürlich auch die Kommunikation gegenüber den Eltern sein: Sie müssen wissen, wie durchlässig das System heute ist, wie die Schülerinnen und Schüler an unserer Schule beurteilt werden und dass eine grüne Ampel nicht zwingend gleichbedeutend mit dem E- oder P-Zug der Sekundarschule ist. Wir möchten, dass die Eltern einschätzen können, wo ihr Kind gerade steht, welches seine Stärken und Schwächen sind und woran es arbeiten sollte.
In unserem Prozess holen wir uns von der Fachstelle Pädagogik Unterstützung und buchen Holkurse fürs Kollegium, um uns miteinander zu entwickeln. Es ist schön zu merken, dass schon einige Schulen – sowohl in Basel-Stadt als auch in anderen Kantonen – sich mit einer kompetenzorientierten und variantenreichen Beurteilung auseinandersetzen, die dem Lehrplan 21 ja auch mehr entspricht. Aufgezeichnet von Valérie Rhein
«Nun holen wir endlich unsere Kollegiumsreise nach»
Anja Renold, Rektorin Gymnasium Kirschgarten
«Ich finde es wichtig, dass wir nun in unserem Kollegium den Blick nach vorne richten. Das gilt sowohl kurz- wie langfristig: Damit wir uns wieder einmal in einem anderen Rahmen sehen, holen wir nun als erstes am Drei-Tageblock unsere Reise an den Genfersee nach, die wir schon vor zwei Jahren machen wollten, dann aber wegen Corona zwei Mal verschieben mussten. Es geht dabei nicht nur darum, dass wir am Genfersee das Chaplinmuseum, das Alimentarium und andere Sehenswürdigkeiten besuchen, sondern uns auch losgelöst vom Schulalltag über die Weiterentwicklung des Unterrichts und der Schule austauschen können.
Ich denke da beispielsweise an das Projekt «Lernen und Prüfen in einer Kultur der Digitalität», mit dem wir Basler Gymnasien unseren Schülerinnen und Schülern die vielzitierten «21st Century Skills» vermitteln möchten. Zusammen mit Elisabeth Simon vom Gymnasium Bäumlihof leite ich dieses Projekt, bei dem wir uns unter anderem das Ziel gesetzt haben, dass ab 2025 an den Basler Gymnasien die Abschlussprüfungen digital stattfinden sollen. Bei diesem Gemeinschaftsprojekt geht es aber nicht nur um die Einführung der technischen Grundlagen für den Unterricht auf Basis von «Bring your own device». Wie der Titel schon sagt, bereiten wir uns auf einen tiefgreifenden Kulturwandel beim Lernen vor, der mit den neuen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, verknüpft sein muss. Diesen Kulturwandel soll nicht jede Schule einzeln angehen, sondern wir schliessen uns zusammen, um gegenseitig voneinander profitieren zu können.
Wichtig ist es, dass alle Lehrpersonen an diesem Prozess beteiligt sind und merken, dass diese Entwicklung sie und ihren Unterricht ganz direkt betrifft. Im Wandel befinden sich dabei nicht nur die Anforderungen, sondern natürlich auch das Kollegium selbst. Momentan bin ich daran, die Stundenzuteilungen für das nächste Schuljahr zu planen und zu schauen, wie ich die freiwerdenden Stellen besetzen kann. Anfang Jahr kommen immer viele Blindbewerbungen herein. Aus diesen wähle ich in den Fächern, in denen es Fluktuationen gibt, einige aus und lade sie zu Gesprächen oder Probelektionen ein. Mein Ziel ist es, eine das Kollegium zu verjüngen. Die neuen Lehrpersonen werden hoffentlich frischen Wind hereinbringen, den ich mir wünsche und den es gerade für das Unterrichten in einer Kultur der Digitalität an einem Gymnasium braucht.»
Aufgezeichnet von Peter Wittwer