Sie sind hier: Startseite / Publikationen / Basler Schulblatt / Artikel / Schulbauten im Sommerhoch

Artikelaktionen

Schulbauten im Sommerhoch

01.07.2024
Wie verhalten sich Schulhausbauten in der Hitze? Weshalb sind Klimaanlagen tabu? Und wie wäre es mit einer Siesta? Ein Gespräch mit den Architektinnen Sabine Schärer und Valentina Heiss, die sich am Bau- und Verkehrsdepartement mit Schulhausbauten und Fragen zu umweltgerechtem Planen und Bauen befassen.
Bild Legende:
Die Architektinnen Valentina Heiss (links) und Sabine Schärer (rechts) im verhältnismässig kühlen Lichthof des Bau- und Verkehrsdepartements

Basler Schulblatt: Wir befinden uns für dieses Gespräch im Lichthof eines Verwaltungsbaus am Münsterplatz 11, der in dieser Form seit Beginn des 20. Jahrhunderts besteht. Wie fühlt sich die Situation hier im Hochsommer an?

Valentina Heiss (V.H.): In den aussenliegenden Büros kann es ziemlich warm werden. Der Lichthof dagegen bleibt relativ angenehm. Diese Kategorie von Gebäuden hält der Hitze grundsätzlich gut stand, weil sie mit massiven Wänden und einem verhältnissmässig kleinen Fensterflächenanteil gebaut wurde. Zudem führen die hohen Räume zu einem grossen Luftvolumen, das sich erst einmal aufheizen muss.

Sabine Schärer (S.S.): Die warme Luft steigt, das Gebäude erwärmt sich langsam von oben, man hat bei hohen Räumen mehr Oberfläche, welche die Hitze aufnehmen kann. Das wirkt ausgleichend. Ist die Masse der Wände gross, geht der erste Teil der Hitze ins Material und wird so absorbiert. Erst wenn die Wände vollgesogen sind, erwärmt sich die Luft im Raum. Idealerweise wird diese Wärme in der Nacht durch eine Nachtauskühlung des Gebäudes wieder abgeführt. So stehen die Wände am nächsten Tag wieder für eine Wärmeaufnahme bereit.

Welche Materialien eignen sich für diese Art der Speicherung?

(S.S.): Sicher Stein oder Beton. Ein reiner Holzbau oder ein Gebäude mit feinen Stützen und dünnen Decken hingegen hat weniger Möglichkeiten, Hitze aufzunehmen. Der Vorteil ist jedoch, dass solche Gebäude Wärme auch viel schneller wieder abgeben können. Sie kühlen schnell wieder aus. Wenn ein massiver Steinbau wie unser Gebäude hier einmal richtig vollgesogen ist, bekommt man die Wärme nicht so schnell wieder raus. Man merkt es bei Einstellhallen: Die sind bis weit in den Frühling hinein noch kühler als die Aussenluft, im Herbst jedoch weisen sie höhere Raumtemperaturen auf, weil sie über den Sommer Wärme gepeichert haben und ihre Zeit brauchen, bis sie diese wieder an die kühlere Luft abgegeben haben.

Es gibt an unseren Basler Schulen einige Gebäude, die von den Materialien und der Architektur her mit Blick auf die Hitze nicht so ideale Voraussetzungen mitbringen wie dieser steinerne Verwaltungsbau hier. Was macht man da?

(S.S.): Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Hitze umzugehen. Allem voran gilt es, die Hitze erst gar nicht ins Haus zu lassen.

(V.H.): Das heisst zunächst einmal, die Sonnenstoren gezielt und konsequent einzusetzen. Auch wenn kein Unterricht stattfindet, sollte die Beschattung der Räume nicht vergessen werden. In einem zweiten Schritt kann man die Automatisierung des Sonnenschutzes angehen oder optimieren, wenn eine automatische Steuerung bereits vorhanden ist.

(S.S.): Bei neueren Projekten wie zum Beispiel der Primarstufe Schoren, ist der Sonnenschutz automatisiert, so lange niemand im Raum ist. Während des Unterrichts sind die Lehrpersonen verantwortlich für den Betrieb. Verlässt die Klasse den Raum, übernimmt das System nach einer Viertelstunde automatisch. Dann gehen die Storen hinunter, wenn die Sonne scheint. Diese Kombination zwischen automatisierten Vorgängen und Menschen, welche die Technik bestmöglich nutzen, ist ideal.

Gibt es noch andere Möglichkeiten?

(S.S.): Ja. Isolation ist eine gute Möglichkeit, sich vor Hitze zu schützen. In den vergangenen Jahrzehnten hat man versucht, möglichst wenig Energie zu verlieren. Man packte die Häuser immer mehr ein, hat immer mehr gedämmt. Man dachte vor allem an den Winter, an den Energieverlust, wollte verhindern, dass Kälte eindringt, und Wärme abgeht. Man machte die Häuser dicht. Das ist an sich gut, ist auch ein guter Hitzeschutz von aussen. Aber es gibt einen grossen Nachteil: Wenn die Hitze einmal im Raum ist, bekommt man sie kaum mehr raus.

Ist das nicht ein Widerspruch?

(S.S.): Nicht ein Widerspruch, aber eine Schwierigkeit in unseren Breitengraden. Wir kennen noch immer die kalten Winter, haben jetzt neuerdings aber auch die heissen Sommer. In Marokko kann man sich auf eine Sache spezialisieren, wir jedoch machen einen Spagat: Im Winter müssen wir dafür sorgen, dass die Wärme nicht abgeht, im Sommer müssen wir schauen, dass sie nicht reinkommt, respektive wieder abgeführt werden kann, wenn sie mal drin ist …

(V.H.): Gleichzeitig braucht es natürlich Fenster, wir wollen ja möglichst viel Tageslicht nutzen und im Winter durch die solaren Gewinne unsere Gebäude ein Stück weit aufwärmen.

Wenn die Wärme bereits in den Räumen hockt, was macht man da am besten?

(S.S.): Bei Neubauten oder Sanierungen geben wir den Architektinnen und Architekten immer den Auftrag, eine Nachtauskühlung mitzudenken. Es muss in der Nacht Öffnungen geben, durch die Nachtluft strömen und die am Tag aufgenommene Wärme abführen kann. Das geht über Klappen im Dach wie zum Beispiel in der Eingangshalle im Schulhaus Bäumlihof oder im Erweiterungsbau der Primarstufe Wasgenring (mehr dazu auf Seite 9). Im Pestalozzischulhaus gab es vor gut einem Jahr einen Dachausbau. Der Architekt rekonstruierte in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege auf dem Dach Lüftungstürmchen, die auf alten Plänen zu sehen waren. Über Klappen im Dachhimmel kann die Luft reinfliessen und über die Türme weg. Das ist eine Kühlung oder Lüftung fast ganz ohne Strom. Es gibt also unterschiedliche Lösungsansätze, die wir ausprobiert haben, und nun etwas beobachten müssen.

Und wenn es keine solchen baulichen Massnahmen gibt?

(V.H.): Dann hilft richtiges Lüften: möglichst früh, wenn es noch kühl ist, die Fenster weit öffnen, am besten mehrere Fenster gleichzeitig öffnen, also querlüften, bevor die Sonne direkt ins Zimmer scheint. Sobald draussen die Temperatur steigt, sollten alle Fenster wieder geschlossen werden und konsequent geschlossen bleiben. Dann die Sonnenstoren herunterlassen, dadurch wird die Sonnenstrahlung draussen gehalten. Falls noch einmal etwas Lüften nötig wird, dann nach Möglichkeit über die kühle Nordseite. Auch Menschen in einem Raum, Geräte, Computer oder Licht geben Wärme ab. Um diese Wärme zu reduzieren, sollten unnötige Geräte ausgeschaltet werden. Am besten arbeitet man dann in Gruppen an unterschiedlichen Orten oder lagert den Unterricht auch mal in gekühlte Räume wie Museen oder in die Badi aus.

(S.S.): Wenn man gross denkt, also mit Blick auf die gesamte Gesellschaft, wäre eine sinnvolle Möglichkeit auch, im Sommer die Betriebszeiten anzupassen wie in den mediterranen Ländern. Man könnte zum Beispiel am Nachmittag eine längere Siesta einführen, die Sommerferien verlängern, die Herbstferien streichen. Das wäre das Günstigste, aber wir hier am Tisch können diesen Prozess natürlich nicht auslösen.

 Wie steht es mit Ventilatoren?

(V.H.): Die haben einen Kühleffekt. Die Umgebung fühlt sich durch den Luftzug kühler an, auch wenn die Temperatur unverändert bleibt. Wir haben diese Möglichkeit noch nie genutzt, aber das könnte zukünftig durchaus eine Option sein.

 Und was sagen Sie zum Vorschlag, Klimaanlagen einzubauen?

(S.S.): Klimaanlagen sind ausschliesslich in Räumen erlaubt, die hermetisch abgeschlossen sind. In Kaufhäusern zum Beispiel, die einen speziellen Eingangsfilter haben. Es darf nämlich nicht sein, dass die Klimaanlage läuft und irgendwo von aussen heisse Luft eintritt. Solche Anlagen sind riesige Investitionen und brauchen viel Strom und Wartung. Das erachte ich für eine Schule nicht als sinnvoll.

Nachtauskühlung, Beschattung, Isolation, Speichermasse: Weshalb kann man das jetzt nicht einfach alles speditiv an allen Schulstandorten baulich und technisch umsetzen?

(S.S.): Das ist einfacher gesagt als getan. Wir können nicht einfach schnell umbauen. Das dauert alles: Wir müssen Kredite beantragen, politische Prozesse durchlaufen. Und natürlich möchten wir unsere Lösungen auch gut evaluieren. Deshalb schöpfen wir jetzt erst das aus, was einfach umsetzbar ist. Aktuell laufen an sechs unterschiedlichen Standorten Messungen. Darauf basierend planen wir Empfehlungen, wie man mit möglichst geringem finanziellem Aufwand die grössten Verbesserungen schaffen kann.

(V.H.): Aber natürlich denken wir den sommerlichen Wärmeschutz bei jedem Neubau konsequent mit.

Kommen wir zum Schluss noch auf ein Neubauprojekt zu sprechen: Auf dem Dreispitzareal wird eine Sekundarschule auf dem Dach eines bestehenden Einkaufszentrums geplant. Ist das sinnvoll mit Blick auf die Sommerhitze? Die Sonnenexposition ist da ja bestimmt gross …

(S.S.): Die Auflage dort war, dass man auf dem Dach mindestens anderhalb Meter Erde generiert, das heisst, das Dach des Einkaufszentrums wird komplett bepflanzt sein. Das Wasser wird so in der Erde gespeichert, versorgt die Pflanzen und kühlt durch die Verdunstung die Umgebung. Zudem gab es auf dem Areal eine Studie zum Mikroklima. Die Resultate waren positiv, es gibt grössere nächtliche Luftbewegungen, die sich bis zum Friedhof Wolf erstrecken und beim Auskühlen des Gebäudes helfen. Ich denke, dass wir auf dem Dreispitzareal einen guten Umgang mit der Hitze haben werden

Sabine Schärer, dipl. Arch. ETH,  verantwortet seit 2017 in der Abteilung Städtebau & Architektur des Bau- und Verkehrsdepartements das Ressort Schulen.

Valentina Heiss, M.A. FHZ Arch., ist Projektleiterin umweltgerechtes Planen & Bauen in der Abteilung Städtebau & Architektur am Bau- und Verkehrsdepartement.

 

Hitzeplan in Arbeit

Für den kommenden August plant das Bau- und Verkehrsdepartement zusammen mit der Abteilung Raum und Anlagen des Erziehungsdepartements ein Poster für Schülerinnen, Lehr-, Fach- und Leitungspersonen sowie das Personal, das mit dem Gebäudeunterhalt an Schulen beschäftigt ist, mit den wichtigsten Tipps im täglichen Umgang mit Hitze.

Im Sommer 2025 soll als Grundlage für die Koordination weiterer Massnahmen ein bautechnisch orientiertes Konzept als zweiter Teil folgen, das bei jeder Sanierung von Schulgebäuden als Basis herangezogen werden kann und mögliche Lösungen für entsprechende Bautypen aufzeigen soll. Aktuell laufen an sechs Standorten Messungen in Schulhäusern, die charakteristisch für jeweils einen Bautypen sind. 

Interview: Charlotte Staehelin, Bild: Grischa Schwank

abgelegt unter: ,