Von Alltagssprache und Bildungssprache
«Manchmal braucht es Dialekt zum Verständnis» – Wirklich?
In einer Gesprächsrunde erwähnten einige Lehrpersonen, dass sie im Unterricht bisweilen auf Dialekt zurückgreifen, wenn sie den Eindruck haben, dass die Schülerinnen und Schüler sprachlich mit einem Fachinhalt Mühe haben. Was passiert bei einer Erklärung auf Dialekt? Wahrscheinlich werden komplexe Begriffe oder Vorgänge umschreibender, ausführlicher und damit nachvollziehbarer dargelegt. Das ist auch in der Standardsprache möglich, handelt es sich doch dabei um klassisches Scaffolding, also um eine sprachbewusste Hilfestellung. Abgesehen davon, dass an der Primarschule und der Sekundarschule im Unterricht ausschliesslich Standardsprache verwendet werden muss, ist es auch sonst unerlässlich, dass solche Hilfestellungen nicht in Dialekt erfolgen. Verwendet die Lehrperson Dialekt, werden die Schülerinnen und Schüler dahingehend konditioniert, dass sie besser verstehen, wenn etwas in Dialekt erklärt wird. Zielführender wäre, dass sie die Erfahrung machen, dass Schul-, Bildungs- und Fachsprache verständlich ist und – richtig eingesetzt – die Kommunikation oft sogar erleichtert.
«Auch Räume können sprechen»
Wie kann in der multikulturellen und altersdurchmischten Vielfalt einer Tagesstruktur die Verständigung erleichtert und gefördert werden? Der Tagesstrukturalltag ist durch und durch von Sprache begleitet. Beim gemeinsamen Mittagessen, im freien Spiel, bei Ausflügen sowie bei der Lernbegleitung sind die Mitarbeitenden der Tagesstruktur wichtige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. Sie vermitteln somit neben Bildungssprache auch eine Alltagssprache, die den Schülerinnen und Schülern hilft, sich wohlzufühlen und Freundschaften zu pflegen. Auch beim Raum gibt es Gestaltungsprinzipien, die dem Raum eine Sprache geben, die alle verstehen können: Einfache Symbole schaffen Orientierung und ein Umfeld, das gleichermassen Anregung und Wohlbefinden bietet, wirkt unterstützend. Das Buch «Förderung exekutiver Funktionen durch Raumgestaltung» liefert dazu wertvolle Beispiele. Idealerweise werden sprachliche Hilfestellungen, sei es für die Bildungs-, die Alltags- oder die Raumsprache, von Lehr- und Fachpersonen gemeinsam entwickelt, damit sich die Schülerinnen und Schüler im gesamten Lern- und Lebensraum zurechtfinden können.
«Elterngespräche – wertschätzend und klar»
«Die sprachbewusste Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten ist bei uns eine Selbstverständlichkeit». Wäre es nicht schön, diesen Satz in einem Schulleitbild zu lesen? Eine wohlwollende Atmosphäre hängt stark vom bewussten Gebrauch der Sprache ab. Manchmal ist es nur ein kleines Wort, das eine Aussage massgeblich verändert: «Ihr Kind hat die Aufgabe nicht verstanden» oder «Ihr Kind hat die Aufgabe noch nicht verstanden» – nur vier Buchstaben, doch der Unterschied ist riesig. Es benötigt grosse Aufmerksamkeit, doch oft nur wenig Aufwand, um eine motivierende Gesprächsatmosphäre zu erzeugen. Fühlt sich die gesamte Schule dafür zuständig, wertschätzend und bewusst zu kommunizieren, kann dies auch für Elterngespräche hilfreich sein. Zudem: Möchte eine Schule, dass die Eltern Schulentwicklungsprozesse zum sprachbewussten Unterricht mittragen, sollte sie regelmässig darüber informieren.
Teacher talk: Die Lehrpersonen als «Signaljongleure»
Ist die Lehrperson mit einer Schülerin in einem offenen, freundlichen Blickkontakt, während sie ein Problem anspricht oder setzt sie einen strengen, abweisenden Gesichtsausdruck auf, um ihrer Verärgerung Ausdruck zu verleihen? Setzt sich die Lehrperson neben den Schüler und schaut gemeinsam mit ihm ins Heft oder macht sie eine kritische Bemerkung, während sie hinter den Pulten durchgeht und dem Schüler über den Rücken schaut? Eine gelingende Kommunikation im Unterricht und im gesamten Schulalltag ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Lehrpersonen tauschen im Umgang mit Schülerinnen und Schülern, aber auch mit Eltern, ununterbrochen Signale aus, die Botschaften enthalten – bewusste und unbewusste. Sie sind also «Signaljongleure» und idealerweise reflektieren sie laufend, welche sprachlichen, para- und non-verbalen Mittel sie gerade einsetzen.
Das Schema «Sprachvarietäten» zeigt, mit welchen Sprachregistern Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler im Unterricht und in ihrem schulischen Umfeld konfrontiert sind. Sich sicher und kompetent zwischen diesen Sprachvarietäten hin- und herbewegen und diese situationsangepasst einsetzen zu können, ist nicht selbstverständlich. Dies ist ein wichtiger schulischer Lernprozess, bei dem die Schülerinnen und Schüler angeleitet werden müssen. Er setzt voraus, dass die Lehrpersonen selbst ein klares Bewusstsein für die verschiedenen Sprachvarietäten haben, besonders auch für die im Bereich «Teacher talk» aufgeführten non- und para-verbalen Elemente. Regula Rohland und Brigitta Kaufmann, Pädagogisches Zentrum PZ.BS
Sprachbewusster Unterricht, kurz SBU, ist ein Entwicklungsschwerpunkt vieler Basler Schulen. Wie er umgesetzt werden kann, haben im Juni 2022 Schulleitende, Lehrpersonen, Mitarbeitende der Tagesstrukturen und weitere Fachpersonen an einem Netzwerktag diskutiert, der vom Pädagogischen Zentrum PZ.BS zusammen mit der Fachstelle Pädagogik organisiert wurde. In einer dreiteiligen Serie im Basler Schulblatt wurden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und ergänzt. Dabei stehen Aussagen aus der Praxis im Zentrum, die im Rahmen eines World-Cafés und einer Gesprächsrunde getätigt worden sind.
Weiterführende Informationen gibt es auf dem Basler Bildungsserver unter www.edubs.ch/sprachbewusst