Sie sind hier: Startseite / Publikationen / Basler Schulblatt / Artikel / Vorschläge zur Maturitätsreform breit abgelehnt

Artikelaktionen

Vorschläge zur Maturitätsreform breit abgelehnt

22.06.2021
In einer sog. «internen» Konsultation haben sich die Stadtbasler Gymnasiallehrpersonen zu verschiedenen Vorschlägen zur «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität» (WEGM) geäussert. Die Rückmeldung der 208 teilnehmenden Lehrpersonen ist vernichtend: Die Vorschläge stossen an allen fünf Gymnasien auf breite Ablehnung - sowohl Organisation und Zeitplan der Umfrage wie auch deren Inhalt werden stark kritisiert.
Bild Legende:
An den Basler Gymnasien (im Bild das Gymnasium Kirschgarten) stossen die Reformvorschläge auf Bundesebene auf wenig positives Echo. Foto: Grischa Schwank

Formell geht es bei der vorliegenden Konsultation um Vorschläge zur Reform des eidgenössischen Reglements bzw. der Verordnung zur Maturitätsanerkennung (MAR/MAV). Erklärtes Ziel ist es, die Qualität der gymnasialen Maturität langfristig zu bewahren sowie den weitgehend prüfungsfreien Zugang zum Hochschulstudium weiterhin sicherzustellen. Die Vorschläge stützen sich auf die Empfehlungen einer Gruppe von Expertinnen und Experten ab, die unter anderem eine starke Ausweitung des Fächerkatalogs, eine Umgestaltung des Wahlpflichtbereichs mit einer Vielzahl neuer Kombinationsfächer, eine Zweigliederung in einen je zweijährigen Grundlagen- bzw. vertiefenden Wahlpflichtbereich und eine Erhöhung der Zahl der Maturitätsprüfungsfächer sowie eine Verschärfung der Bestehensnormen zur Diskussion stellen.

Die Reformvorschläge wurden in einem typischen «Top-Down»-Prozess entwickelt, der aufgrund zeitlicher und organisatorischer Vorgaben keine echte inhaltliche Partizipation für die beteiligten Projektpartner (wie beispielsweise den Verein Schweizerischer Gymnasiallehrpersonen, VSG) ermöglichte. Neben der Lehrpersonen-Rückmeldung wird es aus Basel-Stadt auch eine – ablehnende – Rückmeldung der Gymnasialrektorinnen und -rektoren sowie eine Rückmeldung der kantonalen Bildungsbehörde (noch zu erarbeiten) geben. Weiterführende Informationen  – insbesondere zur anstehenden Folge-Konsultation zu den Rahmenlehrplänen – finden sich über folgende Links.

https://ks-bs.edubs.ch/aktuelles/erste-konsultation-zur-weiterentwicklung-der-gymnasialen-maturitaet

https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/maturitaet/gymnasiale-maturitaet/weiterentwicklung-der-gymnasialen-maturitaet.html

https://matu2023.ch/de/

Aus dem KSBS-Begleitschreiben zur Konsultationsantwort

Kritik an der Organisation und zeitlichen Planung: Die Durchführung der Vernehmlassung war für die Lehrpersonen zeitlich durch die sehr engen Zeitvorgaben des Projektes und die zusätzliche Verkürzung der Vernehmlassungsfrist durch den VSG fast nicht zu leisten. Die Zustellung der Vernehmlassungsunterlagen konnte erst sehr spät erfolgen, weil die entsprechenden Dokumente viel zu spät zur Verfügung standen und unklar war, wie die Standorte und Lehrpersonen befragt werden sollen (fehlende Berücksichtigung der unterschiedlichen kantonalen Vernehmlassungsstrukturen und -partner). Der enorme Umfang der Konsultation mit der vorgängigen Intransparenz bezüglich der Prozesse und Inhalte hat bei den Lehrpersonen zu beträchtlichem Missmut geführt. Es scheint von Seiten der nationalen Projektleitung kein Interesse daran zu bestehen, dass die Gymnasiallehrpersonen sich im Rahmen der Konsultation inhaltlich vertieft und qualitativ hochstehend zurückmelden können. Zudem ist eine differenzierte Rückmeldung aufgrund der mehrfachen Kondensation der Rückmeldungen auf eine Einheitsantwort für alle Standorte und Lehrpersonen des Gesamtkantons nicht möglich.

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Bestrebung zur nationalen Vereinheitlichung (Stichwort «Vergleichbarkeit») dazu führte, dass die Besonderheiten der Kantone zu wenig berücksichtigt wurden. Unter den kantonalen Besonderheiten finden sich aber auch «best practice»-Lösungen, die nur ungenügend in die nationale Revision eingeflossen sind.

Des Weiteren fällt auf, dass die operative Umsetzung der angedachten Revision, die in einzelnen Kantonen zur «Zerstörung» der gewachsenen Strukturen führen kann, zu wenig mitgedacht wurde. Dies gilt ganz besonders auch für die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen sowie für deren arbeitsrechtliche Anliegen.

Kritik am Inhalt: Das Expertengremium erscheint als sehr einseitig zusammengesetzt: Es wird nirgends begründet, warum dieser Zusammensetzung die Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität und im konkreten Fall von MAR/MAV zugetraut und anvertraut wird. Trotzdem wird auf die Empfehlungen dieses Expertengremiums zurückgegriffen, wenn mangels empirischer Grundlagen wissenschaftliche Evidenz fehlt, beispielsweise betreffend der allgemeinen Studierfähigkeit und der vertieften Gesellschaftsreife. Eine vertiefte Absprache zwischen den Gymnasien und den Universitäten zur allgemeinen Studierfähigkeit hat offensichtlich aus zeitlichen Gründen nicht stattfinden können, wäre jedoch aus Sicht der Expertengruppe «lohnenswert». Ebenso müsste ein Austausch an der Schnittstelle zur Sekundarstufe I stattfinden, um die allgemeine Studierfähigkeit sicherstellen zu können.

Es ist kritisch zu prüfen, ob die Erweiterung des Wahlpflichtbereichs tatsächlich ermöglicht, die allgemeine Studierfähigkeit zu erreichen. Die Erhöhung der Zahl der Wahlpflichtfächer wie auch die Zweiteilung der gymnasialen Schulzeit in einen je zweijährigen Grundlagen- und Wahlpflichtbereich (Vorschlag 2) bedeuten, dass pro gewähltem Fach weniger Stunden zur Verfügung stehen würden und dementsprechend weniger fachliche Tiefe erreicht werden könnte. Das wollen wir nicht.

Fazit: Keine der vorgeschlagenen Varianten kann das deklarierte Ziel des Projektes - nämlich die Qualität der gymnasialen Maturität auf lange Sicht und so den prüfungsfreien Zugang zur Universität sicherzustellen - wesentlich besser erreichen als der Status quo. Daher lehnen die Basler Gymnasiallehrpersonen alle vorgeschlagenen Varianten ab und halten vorerst am Status quo fest.

abgelegt unter: , ,