Bon appétit!
«Heute ist Fleischtag, das wird viele Kinder freuen», sagt Natascha Moning. Die Pädagogische Leiterin der Tagesstruktur Erlenmatt steht in der Küche, mit Schürze um den Bauch. Drei Kilogramm grüne Bohnen, acht Kilogramm Rösti, drei Kilogramm braune Sauce und 96 Stück Pouletschenkel liegen vor ihr auf dem Küchentresen und im Kühlschrank. Das Essen, kalt angeliefert von der SV Group, ist in einzelne Beutel verpackt und wird später im Steamer und im Ofen erwärmt. Die Hauswirtschaftsperson, die diese Arbeit normalerweise übernimmt, ist ausgefallen.
Im Zimmer nebenan sitzen die Tagesstruktur-Mitarbeitenden an Tischen und planen das Nachmittagsprogramm. Es ist 10.30 Uhr. Die Tagesstruktur ist ruhig und leer. Bis auf ein paar vereinzelte Schülerinnen und Schüler, die in einem Raum DaZ-Unterricht besuchen, sind die Kinder in ihren Klassenzimmern. Tagesstruktur-Leiterin Isabel Stahel besucht Natascha Moning in der Küche und hilft, wo sie kann.
Das Catering-Modell
Abgesehen von einer Ausnahme werden in Basel-Stadt alle 24 Tagesstruktur-Standorte von vier Cateringanbietern mit Menüs beliefert. Das Catering wird alle paar Jahre von der Fachstelle Tagesstrukturen öffentlich ausgeschrieben und ausgewählt. Es sorgt dafür, dass die 4800 Schulkinder, die das Betreuungsangebot momentan nutzen, etwas Gesundes und Leckeres auf dem Teller haben.
Dass die den Schulen zugehörigen Tagesstrukturen nicht selber kochen, wird immer wieder einmal von Elternseite und von einigen Tagesstruktur-Mitarbeitenden bedauert. Vor etwa zehn Jahren entschied die Volksschulleitung, dass in den Tagesstrukturen keine Produktionsküchen eingebaut werden. Die Gründe dafür waren vielfältig. Die Flächen in den Schulhäusern zum Beispiel sind begrenzt. Produktionsküchen brauchen Platz. Diesen Platz wollte man lieber den Kindern zur Verfügung stellen. Ausserdem dürfen die Produktionsküchen aufgrund der Anforderungen des Lebensmittelinspektorats nicht für pädagogische Zwecke genutzt werden. Und: Die Tagesstrukturleitungen haben eine sozialpädagogische Ausbildung. Der Betrieb von Produktionsküchen gehört nicht zu ihren Kernkompetenzen.
Ein offenes Restaurant
Inzwischen trudeln die ersten Kindergartenkinder in die Tagesstruktur Erlenmatt. Sie essen, bevor die Primarschülerinnen und Primarschüler dazu stossen. Rebecca Fritz und János Colonnello, Fachpersonen und Mitarbeitende Betreuung, begrüssen die Kinder im «Open Restaurant», fragen sie, was sie essen wollen und schöpfen ihnen einen Teller. Am Buffet stehen Töpfe gefüllt mit Poulet, Vegi-Cordon-bleu, Bohnen, brauner Sauce, Rösti, Rohkost, Salat, Äpfeln und Brot.
Mit ihrem Teller setzen sich die Kinder an einen freien Tisch, essen so lange und so viel sie wollen. Die elf anwesenden Mitarbeitenden haben längst gegessen, damit sie jetzt, wenn die Schülerinnen und Schüler da sind, alle Hände für sie frei haben. «Wir motivieren die Kinder zum Essen, aber sie entscheiden, wann, wo, mit wem und wie viel sie essen», sagt Leiterin Isabel Stahel.
Selbstständigkeit und Freiheit
Ella und Angelika, beide acht Jahre alt, sitzen zusammen am Tisch. Ella hat Rüebli, Äpfel, Peperoni und Rösti auf dem Teller, Angelika holt sich gerade ihren zweiten Pouletschenkel und isst diesen mit Peperoni. «Unser Lieblingsessen ist Pizza. Das da finden wir aber auch gut», sagen sie und zeigen auf ihre Teller.
Einiges später strömen vier Jungs mit roten Köpfen ins «Open Restaurant», sie kommen aus der Turnhalle. Betreuer János Colonnello erklärt: «Einige Kinder spielen sehr gerne Fussball. Wir haben die Abmachung, dass sie in der Halbzeit des Spiels für das Zmittag hochkommen, danach dürfen sie weiterspielen.»
Diese Selbstständigkeit und Freiheit haben sich am Standort Erlenmatt bewährt. Die für heute gemeldeten 66 Kinder essen nacheinander und nicht gleichzeitig, im Esssaal herrscht durchgehend eine angenehme Atmosphäre. «Viele Kinder kennen den Mittagstisch von der Kita und freuen sich, dass es hier offen ist. Sie geniessen diese Freiheit», sagt Leiterin Isabel Stahel. Ausserdem seien seit dem «Open Restaurant» die Konflikte unter den Schülerinnen und Schülern weniger geworden.
Umgang mit Food Waste
In der Küche wärmt Natascha Moning nach Nachfrage Bohnen, Rösti und Pouletschenkel im Steamer und im Ofen, damit am Schluss möglichst wenig Essen weggeschmissen werden muss. Übriggebliebenes wird aufs Team verteilt oder ins Menü der nächsten Tage eingebaut.
Ursula Hügi, zuständig für die Verpflegungsthemen der Primarstufe in der Fachstelle Tagesstrukturen, kennt die Thematik: «Der Umgang mit Food Waste ist eine Gratwanderung. Wenn die Tagesstrukturen vom Caterer Spaghetti Bolognese und Pizza erhalten, ist der Food Waste gering.» Doch eine ausgewogene Ernährung sei auch wichtig.
Die Essenszulieferer schicken für jede Woche einen Menüplan, den die Standorte mit Kaltanlieferung bei Bedarf anpassen können. Was von der Fachstelle unter anderem vorgegeben ist: pro Woche einmal Fleisch oder Fisch, viermal Vegi und zweimal ein Dessert. Ausserdem müssen sich alle Caterer an die Standards der Schweizer Gesellschaft für Ernährung halten.
Tagesstrukturen wachsen weiter
Die Listen und Tabellen auf Ursula Hügis Tisch zeigen: Die Organisation der Mittagessen und der Betreuung ist eine Herkulesaufgabe. 14’250 Mittagessen werden jede Woche in den Tagesstrukturen serviert. In Zukunft werden es noch mehr sein. «Wir stellen Prognosen anhand von demografischen Angaben auf und gehen davon aus, dass die Tagesstrukturen weiterwachsen», sagt Hügi. Die Fachstelle versucht, die Nachfrage zu decken, und plant bis 2030. «Diese Kinder sind noch gar nicht auf der Welt.»
Der Standort Erlenmatt ist mit offiziell 72 Plätzen gut ausgelastet. Die Tagesstruktur startete vor sechs Jahren mit 24 Kindern. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich die Anzahl Kinder und seit 2022 gehen die Viert- bis Sechstklässler in den Edutaba, eine externe Tagesstruktur neben der Primarschule Erlenmatt.
«Es fehlt an Platz! Ich finde es schade, dass nicht alle Stufen hier sein können», sagt Isabel Stahel und schaut umher. Die Kinder haben sich auf die drei verschiedenen Zimmer der Tagesstruktur und die Turnhalle verteilt: Sie spielen, sie basteln, sie bauen – bevor das Nachmittagsprogramm startet, welches das Team vorbereitet hat. Geplant ist ein Parcours in der Turnhalle.