«Ein einfacher Satz ist einfacher zu verstehen»
«Die Informationen kamen bei den Eltern besser an und ich hatte weniger Rückfragen.» So fasst Kindergartenlehrperson Claudia Dürr die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt Elternbriefe in Einfacher Sprache zusammen. Doch der Reihe nach.
Kurze Sätze und grosse Zeilenabstände
Angefangen hatte alles im Frühling 2022 mit einer Idee im Elternrat der Primarstufe Theodor. Die Elternrätinnen Rauati Erni und Salome Wyss dachten über Briefe der Schule nach, die mitunter lange Sätze und Fachausdrücke enthielten. «Einen Abschnitt musste ich manchmal mehrmals lesen, bis ich ihn verstand», sagt Salome Wyss, die beruflich als Logopädin an der Primarstufe Lysbüchel tätig ist. «Wie es wohl anderen Eltern damit ging?», fragte sie sich.
Rauati Erni beobachtete dasselbe. Die Kommunikationsfachfrau hatte soeben eine Weiterbildung in Einfacher Sprache absolviert. Wesentliche Aspekte von Einfacher Sprache sind:
- kurze Sätze
- aktiv statt passiv formulieren
- die wichtigste Botschaft an den Anfang stellen
- grosse Zeilenabstände
- kurze Absätze
- mehrere Zwischentitel setzen.
Mit diesem Know-how und der klaren Vorstellung, mit einem Brief möglichst alle Eltern zu erreichen, erarbeiteten Erni und Wyss einen Projektvorschlag. Ein Jahr lang wollten sie Elternbriefe auch in Einfacher Sprache bereitstellen. «Für mich war das ein Geschenk», erinnert sich Claudia Dürr, die als Lehrpersonenvertretung im Elternrat ist. Denn sie hatte immer wieder beobachtet, wie ein Teil der Eltern ihre Briefe nicht verstand, weil sie für sie zu kompliziert geschrieben waren.
Briefe in zwei Varianten
Im Sommer 2022 konnte es schliesslich losgehen. Die Eltern der Buben und Mädchen in Claudia Dürrs Klasse im Kindergarten Rebgasse 38 erhielten ein Schuljahr lang Briefe in zwei Versionen. In der einen Version standen die Infos in Standardsprache, in der anderen in Einfacher Sprache. Die Version in Einfacher Sprache war gekennzeichnet. Dazu hatte sich das Projektteam entschieden, um den Unterschied zwischen den beiden Varianten zu veranschaulichen. «Die Eltern haben wir zu Beginn zudem über das Pilotprojekt informiert», so Dürr. Sie wussten auch, dass sie am Ende des Schuljahres um ein schriftliches Feedback gebeten würden.
In der einen Version eines Briefes stand dann zum Beispiel:
«Gemäss Verordnung betreffend die soziale Zahnpflege (Zahnpflegeverordnung, Stand 01.01.2012) erhalten Kinder, deren Eltern bzw. Erziehungsberechtige in Basel wohnen, vom Kindergarten bis zur 9. Klasse eine jährliche kostenlose Untersuchung der Zähne.»
In der anderen Version lautete dieselbe Aussage so:
«Der Schul-Zahnarzt untersucht alle Kinder, die in Basel wohnen. Die Untersuchung ist gratis. Vom Kindergarten bis zur 9. Klasse werden die Kinder einmal im Jahr untersucht. So steht es in der Verordnung ‹Soziale Zahnpflege› (Zahnpflegeverordnung, Stand 01.01.2012).»
Anspruchsvolle Schreibarbeit
Rauati Erni legte bei ihrer Arbeit Wert auf eine vereinfachte Ausdrucksweise und ein übersichtliches Layout. Sie wünschte sich, dass ihre Version als alternativer Formulierungsvorschlag und konstruktives Feedback verstanden würde und nicht als Kritik. In der Zusammenarbeit mit Claudia Dürr hat das gut funktioniert. Mehr noch: «Ich habe gelernt, wie anspruchsvoll das Schreiben in Einfacher Sprache sein kann», sagt sie. Und sie hat erlebt, wie wirkungsvoll die Briefe waren: «Die Eltern haben mich besser verstanden.»
Auch die Schulleitung war mit von der Partie. Mit ihr war das Pilotprojekt abgesprochen. Und auch sie nutzte hie und da das Angebot, Briefe in Einfache Sprache umschreiben zu lassen.
Die Rückmeldungen der Eltern im Sommer 2023 waren ermutigend. «Oh, toll, kommt das jetzt immer so?», hiess es da zum Beispiel. Oder: Nach einem langen Tag einen verständlichen Brief zu lesen, sei entlastend. Und: «Ein einfacher Satz ist einfacher zu verstehen.» Elf Eltern haben den Feedback-Fragebogen ausgefüllt. «Die Eltern liessen uns ihre Dankbarkeit spüren», sagt Elternrätin Salome Wyss.
Textbausteine weiterhin in Gebrauch
Haben die drei Frauen auch negative Erfahrungen gemacht? Während des Pilotprojekts nicht, hingegen in der Phase zuvor. «Es hat mich überrascht, dass es im Elternrat auch Ablehnung gegenüber Briefen in Einfacher Sprache gab», so Wyss. Verwundert waren die Initiantinnen auch, dass nicht mehr Lehrpersonen am Pilot teilnehmen wollten. Kindergarten-Lehrperson Claudia Dürr aber ist dankbar, dass sie das Angebot von Rauati Erni und Salome Wyss in Anspruch nehmen konnte. Sie hat jetzt ein Set an Briefen mit Textbausteinen in Einfacher Sprache, auf die sie auch im laufenden Schuljahr zurückgreifen kann. Und wer weiss, vielleicht machen Elternbriefe in Einfacher Sprache in Basel-Stadt ja Schule.
Text und Foto: Valérie Rhein
Einfache Sprache leicht gemacht |
Alle wollen verstanden werden. Ein paar Regeln helfen dabei. Für Lehr-, Fach- und Leitungspersonen gibt es im Handbuch Bildung dazu eine Übersicht auf einem A4-Blatt «Einfache Sprache: das Wichtigste in Kürze» (PDF, Login-Bereich). Auch eine Auswahl an Briefvorlagen in Einfacher Sprache steht im Handbuch Bildung bereit. |