Gut gecoacht ist halb beworben
Das Bewerbungsgespräch von Mikael (14) kommt in dem Moment in eine kritische Phase, als er seine Mutter ins Spiel bringt. Zuvor hat er das Interview mühelos absolviert, glaubhaft sein Interesse an der ausgeschriebenen Laboranten-Lehrstelle erläutert. Aber dann macht er den Fehler, dass er seine Mutter erwähnt, die sich darüber nervt, dass er zuhause bei seinen Hobby-Chemie-Experimenten das Zimmer unaufgeräumt zurücklässt. Der Personalverantwortliche runzelt die Stirn.
«Sie wissen aber schon, dass man in diesem Job ordentlich sein muss, hier arbeitet man teilweise mit gefährlichen Chemikalien», gibt er zu bedenken. Mikael fängt sich souverän und schildert, dass er zuhause für die Familie kocht und anschliessend die Küche tadellos aufgeräumt zurücklässt. Damit endet das simulierte Job-Interview erfolgreich und der Personalverantwortliche ist zufrieden. Die Klasse 3Q der Sekundarschule Drei Linden, die der Vorstellung gebannt zugeschaut hat, spendet Applaus.
Zweistündiger Workshop
Das simulierte Gespräch findet im Rahmen eines zweistündigen Workshops statt, den vor allem Lehrpersonen von E-Zügen im zweiten Sek-Jahr kostenlos buchen können. Gebucht wird via Handelskammer (siehe Box). Ein paar Wochen später stehen die «Business-Coaches» bereits im Klassenzimmer. An diesem Vormittag im Drei Linden sind das Thomas Gysin und Evelyne Chevrolet, bei «aprentas» für die Berufsinformation verantwortlich. Die beiden stellen zuerst den Ausbildungsverbund «aprentas» vor, der in naturwissenschaftlichen, technischen und kaufmännischen Berufen ausbildet. Anschliessend muss die Klasse aber sehr schnell selber aktiv werden. Es gilt, Berufswünsche auf Kärtchen zu schreiben. Auf anderen Kärtchen hält die Klasse fest, welche Fähigkeiten für diese Berufe gefragt sind. Eine Übung nicht ganz ohne Hintergedanken.
«Wir stellen häufig fest, dass sich die Jugendlichen bewerben und ‹einfach einmal austesten›», erklärt Thomas Gysin. «Wenn man sich zu wenig mit den Anforderungen eines Jobs auseinandersetzt, fliegt das im Bewerbungsgespräch immer auf.» Deshalb seien solche Einsätze in der Schule höchst wertvoll. «Man erlebt hier eine simulierte Berufswelt und erhält konstruktive Kritik.»
Nützliche Tipps
Bevor es zum Einsatz der Business-Coaches im Klassenzimmer kommt, hat die Klasse zusammen mit ihrem Lehrer Jeremy Frey schon einige Vorarbeit geleistet. Jeder Schüler und jede Schülerin musste eine Bewerbung schreiben und sie vor einer bestimmten Deadline einreichen. «Die grösste Herausforderung war, dass die Jugendlichen eine gewisse Form bei der Bewerbung einhielten», so Frey. Nachzügler gab es jedoch keine, alle haben pünktlich abgegeben. Und auch sonst spürt man an diesem Vormittag im Drei Linden, wie konzentriert die Klasse dabei ist. Alle merken, dass sie Tipps bekommen, die ihnen später nützen werden. Auch bei der zweiten Interview-Simulation, hier bewirbt sich Lynda bei Thomas Gysin für eine Stelle als Apparatebauerin, ist es mucksmäuschenstill im Zimmer.
«Vier Sachen sind bei einer Bewerbung entscheidend», erklärt Evelyne Chevrolet von «aprentas»: «Die Zusammenstellung der Unterlagen, die Vorbereitung aufs Gespräch, das Interview selber und zum Schluss das persönliche Debriefing mit sich selbst.» Um diese Fertigkeiten zu erlernen, sind die Business-Coaches aus der Wirtschaft ein nicht nur abwechslungsreicher, sondern auch höchst wirksamer Teil im Berufskundeunterricht für die Jugendlichen.
Weiteres Angebot: «Rent a Boss»
Auch für den Elternabend bietet die Handelskammer ein Modul an. Bei «Rent a Boss» besuchen CEOs oder Personalverantwortliche aus Wirtschaftsbetrieben den Anlass. Nach einem 10- bis 20-minütigen Input gibt es die Möglichkeit zur Diskussion oder zur Fragerunde. Auch dieses Angebot richtet sich hauptsächlich an Klassen des E-Zugs im zweiten Sekundarschuljahr. Beide hier beschriebenen Angebote können aber auch von A- und P-Klassen gebucht werden.
Oder man macht es so, wie an diesem Vormittag an der Sekundarschule Drei Linden. Dort sitzt nämlich auch ein P-Schüler aus einer anderen Klasse im Zimmer. Er weiss schon jetzt, dass er nicht ans Gymnasium, sondern direkt in die Berufsbildung einsteigen möchte.
Simon Thiriet
Wie buchen?
Die Angebote «Business Coach» und «Rent a Boss» können via Handelskammer gebucht werden. Ansprechperson ist Brigitte Raaflaub: +41 61 270 60 85 oder b.raaflaub@hkbb.ch
Mehr Infos auf der Webseite Bildungsangebote der Handelskammer