«Ich gebe alles» – Zu Besuch im Boxtraining
Es riecht nach Schweiss, die bunten Schaumstoffplatten im schlichten Raum des Boxteam Basel quietschen. Rund 20 junge Menschen bewegen sich im Kreis. Sie sind konzentriert, es geht um Koordination und um Präzision. «Seitwärtshaken im Diagonalgang» heisst eine der Übungen, dann «Wechsel in den Passgang». Geredet wird kaum in diesem Light-Contact Boxtraining. Wer andere stört, wird von Trainer Stefan Käser umgehend freundlich aber bestimmt zu Rumpfbeugen verpflichtet.
Der Rhythmus des Trainings ist hoch, die Sequenzen wechseln schnell. Und die jungen Leute wollen mithalten. Bei den Kraftübungen fordern einzelne Stimmen eine Verlängerung der Zeit. Als der Co-Trainer Logan Henchoz eine Sequenz abschliessen möchte, gibt es Protest: Die Übung «Die Banane» fehle noch. Also begeben sich alle für eine zusätzliche Einheit erneut auf den Boden.
Muskeln im Trend
Was macht diese Begeisterung aus? Einerseits ist es sicher eine aktuelle gesellschaftliche Entwicklung, die dem Boxsport entgegenkommt: Muskeln liegen im Trend. «Die Jugendlichen sehen auf Youtube viele, die fit und cool sind», erklärt Käser die lange Warteliste für sein Angebot. Das verdeutlicht sich im Gespräch mit den Jugendlichen: «Ich finde es cool, zu kämpfen und habe immer Lust ins Training zu kommen», meint der vierzehnjährige Nahele. Auch die fünfzehnjährige Stina schätzt die körperliche Herausforderung: «Es ist mega gut, sich zu bewegen, das macht mega Spass.»
Verflechtung Schulsport und Club
Ebenso wichtig sind für Stina die Kolleginnen und Kollegen, die Freundschaften, die sich über den Sport ergeben. «Es ist wie eine Familie», schwärmt auch der vierzehnjährige Alex, «wenn es jemandem schlecht geht, sind wir alle da.» Alex trainiert wie Stina und einige andere der Gruppe dreimal pro Woche: zweimal mit dem Boxclub und einmal am selben Ort im Rahmen des freiwilligen Schulsports. Die Verflechtung von Club und Schulsport scheint ein Vorteil zu sein. Das betont auch Stefan Käser. Die Gruppe der angefressenen Sportlerinnen und Sportler färbe auch auf die anderen Kinder ab. Es motiviere sie, wenn sie hören, dass jemand aus diesem Kurs an der Finalrunde der Schweizermeisterschaften teilnehmen könne: «Das schafft Perspektiven».
Talent spielt keine Rolle
Im Rahmen des freiwilligen Schulsports sei Talent jedoch sekundär: «Wir versuchen, allen einen Ort zu geben, wo sie sich akzeptiert fühlen wie sie sind, in einer Gruppe dabei sind und sich auspowern können, egal ob sie geschickt sind oder nicht», erläutert Käser das Prinzip. Sara Fünfgeld, die Leiterin des freiwilligen Schulsports, argumentiert in dieselbe Richtung: «Jedes Kind unseres Kantons soll kostenlos und niederschwellig die Möglichkeit bekommen, sich zu bewegen.»
Flexible Planung
In diesem Semester gibt es 16 Kurse, die für die Sekundarstufe I angeboten werden. Planung und Organisation erfordern Flexibilität, denn es gibt kein Patentrezept. Immer wieder kommt es zu Überraschungen. So hat vor zwei Jahren eine Manga-Serie einen Volleyball-Hype ausgelöst. Das Angebot in der Turnhalle des Vogesenschulhauses hätte locker doppelt geführt werden können. Doch währte die Euphorie nicht lang, bereits im Verlauf des Semesters ging die Nachfrage wieder auf ein normales Niveau zurück. Aktuell sind laut Sara Fünfgeld neben dem Boxen Eiskunstlauf und Frauenfussball sehr gefragt.
Kooperation mit den Tagesstrukturen
Die Leiterin des freiwilligen Schulsports arbeitet eng mit den Sportvereinen und den Tagesstrukturen zusammen. Das Fachpersonal kennt die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, bekommt Trends mit und motiviert die Teenager, einen Kurs zu besuchen. Wie etwa die fünfzehnjährige Ela, die vor gut einem Jahr in die Schweiz gekommen ist und via Tagesstruktur auf das Angebot des freiwilligen Schulsports aufmerksam wurde. Jetzt streicht sie sich strahlend eine rotbraune Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht: «Ich komme dreimal pro Woche ins Boxen und gebe alles.» Mit Erfolg: Sie hat diesen Herbst an den Schweizermeisterschaften den dritten Platz geholt, über den Sport Freundschaften geknüpft und ihre Deutschkenntnisse stark verbessert. Das ist quasi eine Win-win-win-Situation.
Text: Charlotte Staehelin, Bilder: Eileen Meyer
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Die Onlineanmeldung für das Sommersemester (April bis Oktober 2024) ist ab dem 8. Januar 2024 möglich. |