Ein Jahr unterwegs mit Testklassen Digitalisierung / Teil 2
«Wir brauchen die Geräte (fast zu) viel»
Thomas Biehler, Zentrum für Brückenangebote Gundeldingen
Erst vor ein paar Wochen wurden die Testgeräte an den ZBA-Standort Gundeldingen ausgeliefert – und schon sind die brandneuen Convertibles aus dem Unterricht kaum mehr wegzudenken. «Mit der Anleitung, die wir bekommen haben, waren die Geräte in wenigen Minuten installiert. Seither arbeiten wir praktisch täglich mit der Software aus dem Office-365-Paket. Was wir da bekommen haben, ist wirklich schultauglich, und meine Klasse arbeitet begeistert damit», sagt Thomas Biehler. Besonders angetan hat es dem ehemaligen Sekundarlehrer die Software OneNote, zu deren Anwendung im Unterricht er eine Weiterbildung besucht hat. Diese erlaubt einen stark binnendifferenzierten Unterricht, bei dem jede Schülerin und jeder Schüler an Projekten arbeiten kann, die seinem Leistungsniveau und Tempo entsprechen. Vom Lehrerpult aus kann Biehler bequem in jedes Heft reinschauen und wenn nötig eingreifen.
Schon nach wenigen Wochen haben seine Schülerinnen und Schüler die technischen Neuerungen schon so im Griff, dass sie ihren Lernprozess dokumentieren und zurückmelden können. «Was das Technische angeht, sind wir, glaube ich, bereits einigermassen up to date. Pädagogisch haben wir aber das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft», ist Biehler überzeugt. Da alles noch neu ist und es viel zu entdecken gibt, müsse er momentan aufpassen, dass der Computer im Unterricht nicht eine allzu dominante Rolle bekommt, denn: «Die Beziehungsebene in der Klasse darf auf keinen Fall zu kurz kommen. Im Fernunterricht haben wir ja erlebt, wie wichtig es ist, dass die Jugendlichen beim Lernen nicht nur mit sich und dem Bildschirm beschäftigt sind.»
Falls es doch nochmals zu einem Lockdown käme, hat Biehler ganz zu Beginn mit der Klasse die Möglichkeiten von «Teams» so durchgespielt, dass eine Umstellung auf Fernunterricht jederzeit möglich wäre. Die meisten kannten das zwar von der Sekundarschule her, doch so ist sichergestellt, dass im Fall der Fälle alle wissen, wie man beispielsweise seinen Bildschirm teilen oder Whiteboards nutzen kann.
Peter Wittwer
«Am Anfang stand das Lernen der Netiquette-Regeln»
Ladina Guida, 6. Klasse Primarschule Erlenmatt
Endlich! Kurz nach den Herbstferien hat die 6. Klasse der Primarschule Erlenmatt die heiss ersehnten Testgeräte erhalten. Ladina Guida hat jedem Kind ein Päckli auf den Tisch gelegt. «Es war ein bisschen wie Weihnachten», so die Klassenlehrerin. «Sie haben sich wahnsinnig gefreut.» Beim ersten Einsatz der persönlichen Geräte waren zwei Fachpersonen von ICT Medien anwesend. Sie haben die Geräte zusammen mit der Klasse instand gesetzt und die richtigen Einstellungen überprüft. Nicht alles klappte auf Anhieb, umso dankbarer war die Lehrerin für die Anwesenheit des ICT-Teams. Gestaunt hat sie, wie hochkonzentriert alle Schülerinnen und Schüler während der ganzen Zeit waren; auch jene, die sonst kaum fünf Minuten bei der Sache sind.
In den ersten Tagen und Wochen war dann ein Hauptthema die Netiquette. Bald nämlich kam es zu unangebrachten oder inflationären Äusserungen in den Chats, bis hin zu Beleidigungen. Weder abends um zehn noch an Sonntagen wurde Ladina Guida verschont von Fragen wie «Was haben wir schon wieder für Hausaufgaben?» Und dies, obwohl die Richtlinien und Verhaltensregeln im Vorfeld eingehend diskutiert worden waren. Mittlerweile scheinen die Regeln klarer und auch im Umgang mit der Plattform Teams, dem zentralen Ort für die Zusammenarbeit in der Klasse, finden sich die Kinder immer besser zurecht. Ganz neu ist der digitale Unterricht für die Klasse nicht. Schon vorher und besonders während des Lockdowns hat vieles online stattgefunden. Jetzt aber, da alle ein eigenes und dasselbe Gerät haben, funktioniert das viel besser und zeitsparender. «Noch immer findet der grössere Teil meines Unterrichts analog statt», sagt Ladina Guida. Aber etwa zum Üben und Festigen des Stoffs in Mathe sei das Rechentraining online ideal. In MNG können Experimente in Schritten fotografiert oder Powerpoint-Präsentationen für den Vortrag erstellt werden. Im Fach Deutsch lassen sich die Lernwörter für das Diktat markieren, und den nächsten Aufsatz, so die Lehrerin, dürfen die Kinder digital schreiben. Das motiviere sie sehr und manchen falle das Schreiben so viel leichter. Die Handschrift werde aber schon auch geübt.
Eine grosse Herausforderung ist es, die Eltern mit ins Boot zu holen. Manche freut es gar nicht, dass die Kinder nun auch noch in der Schule so viel online sind. Wo sie doch schon zuhause stundenlang am Gamen oder am Handy seien! Dass man umgekehrt daheim den Konsum einschränken könnte, davon möchten sie dann aber lieber nichts wissen.
Yvonne Reck Schöni
«Die ICT hat uns sehr unterstützt»
Susanne Jutzeler, 1. Klasse Sekundarschule St.Alban
Seit Ende Oktober haben die Schülerinnen und Schüler der Pilot-Klassen ihre persönlichen Geräte. Die Aufregung war gross. Es haben sich alle wahnsinnig gefreut. Die Geräte der Lehrpersonen sind bereits kurz vor den Sommerferien eingetroffen. Den nahezu reibungslosen Ablauf verdankt Susanne Jutzeler unter anderem dem guten Support: «ICT hat uns sehr unterstützt. Es gab am Anfang Geräte, die defekt waren. Sie haben schnell reagiert und in den ersten Tagen sogar mehrmals mit dem Velokurier einen Ersatz geliefert. Diese Unterstützung war in der Startphase enorm hilfreich.»
Doch bevor die Geräte ausgehändigt werden konnten, mussten zuerst die Regeln und Nutzungsbestimmungen mit den Jugendlichen und ihren Eltern besprochen und unterschrieben werden. ICT stellte den Testklassen reichlich Material zur Verfügung, wie man mit den Geräten verantwortungsvoll starten und umgehen sollte.
Ein eigenes Schulfach «Digitalisierung» gibt es nicht. Die im Lehrplan 21 definierten Kompetenzen fliessen in den normalen Unterricht ein. Aber nicht nur die Jugendlichen, auch die Lehrpersonen lernen laufend dazu. «Digitalisierung heisst für mich, dass man die Geräte im richtigen Moment einsetzen kann», sagt Susanne Jutzeler. Im Französischunterricht erlebte sie diesbezüglich bereits Erfolgserlebnisse. Während des mündlichen Französischtests war die Klasse im ganzen Schulhaus verteilt. Alle nahmen mit ihren Geräten die gewünschten Texte als Audiodatei auf und luden sie hoch. Das ist nicht sonderlich anders als vorher, doch wurde der Vorgang mit eigenem Gerät deutlich einfacher. «Früher mussten wir den Koffer mit den Laptops erst reservieren und abholen. Jetzt können alle ihr Gerät hervornehmen, sobald es benötigt wird.»
Aber in welchen Momenten ist das digitale Arbeiten sinnvoll? Wann und aus welchem Grund soll etwas mit dem eduBS-Book geschrieben werden? Und wann ist es sinnvoller, von Hand zu arbeiten? «Bei einigen Arbeiten finde ich es gut, am Schluss ein von Hand gestaltetes Blatt zurückzuerhalten. Eines, das eben nicht gemeinsam mit OneNote gestaltet wurde. Denn die Schülerinnen und Schüler besitzen analog ja die gestalterischen Möglichkeiten bereits – und sollten sie auch einsetzen können. Online müssen viele die Werkzeuge erst erlernen.»
Jacqueline Visentin
Fotos: Grischa Schwank