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Routine: Fluch und Segen

03.05.2021
Meist nützlich, zuweilen gefährlich, aber besser als ihr Ruf - erprobte Abläufe und Routine im Beruf erleichtern vieles. Das haben die vergangenen Monate schmerzlich vor Augen geführt. Betroffene schildern im Schwerpunkt dieser Ausgabe, wie sie auch nach Jahrzehnten im Beruf nicht in die Routinefalle tappen.
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Seit vielen Jahren im Lehrberuf. Seit Jahrzehnten vielleicht. Da ist manches Routine geworden, wiederholt sich alle Jahre oder zumindest mit jeder neuen Klasse. Man kennt die Abläufe, hat einen Riesenfundus an Materialien, lässt sich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen, kann routinemässig vieles aus dem Ärmel schütteln,
Routine – ist das nun gut oder nicht? Klingt nach Langeweile, Trott, Hamsterrad, ausgetretenen Pfaden, Repetition. Anderseits: Von wem möchten Sie lieber (wenn überhaupt) eine Wurzelbehandlung durchführen lassen? Von der langjährig erfahrenen Zahnchirurgin an der Uniklinik oder dem Studenten im zweiten Semester? Oder wie fühlen Sie sich bei der munteren Durchsage des Piloten, dass er in Kürze zum allerersten Mal den Flughafen Funchal anpeilen wird, einen der gefährlichsten Flughäfen der Welt? Eben.
Routine bedeutet Erfahrung, Kompetenz, meist auch Qualität, und sie lässt einen die Dinge gelassener einordnen. Das bestätigen alle gestandenen Lehrpersonen, die für das Schulblatt auf ihre langjährige Lehrtätigkeit zurückblicken. Langweilig ist es in all den Jahren keiner geworden. Dafür sorgten zahlreiche Reformen, die stete Veränderung gesellschaftlicher Ansprüche – und zuletzt leider ein winziges Virus. Es hat erreicht, dass Unterricht von einem Tag auf den anderen neu gedacht werden musste. Dass manche den Sprung in die digitale Welt unfreiwillig abrupt vollziehen mussten. Und dass man auch nach dem kompletten Lockdown vor Jahresfrist nie wusste, ob die Schulen neuerlich geschlossen würden oder wie der momentane Stand ist punkto Maskenpflicht, erlaubter Gruppengrösse, Quarantäneregelung, Risikogruppen …
Langeweile war in den letzten Monaten also kaum das Thema. Und Routine? Im Fernunterricht und danach  zeigte sich, dass Routine kein Privileg der älteren Generation ist. Punkto Bedienung digitaler Geräte, Tools, digitalen Unterrichts und digitaler Treffen auf allen möglichen Plattformen sind junge Lehrpersonen in der Regel routinierter, während es dort mit der Gelassenheit gestandener Lehrerinnen und Lehrer diesbezüglich oft vorbei ist. Routine ist also relativ. Meist nützlich, zuweilen gefährlich, aber besser als ihr Ruf!

Routine ist nützlich, denn sie …

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+ gibt Sicherheit
+ schafft Struktur
+ erleichtert die Organisation
+ spart Zeit und Energie
+ vermittelt Ruhe und Gelassenheit
+ erleichtert das Einordnen 
+ garantiert Qualität
+ schafft Vertrauen
+ vermindert Stress
+ bedeutet Kompetenz­
+ vereinfacht Entscheidungen

Routine ist gefährlich, denn sie …

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– führt zu Langeweile
– macht Abläufe vorhersehbar
– behindert Flexibilität
– verhindert Kreativität
– vermindert Achtsamkeit
– führt zu Fahrlässigkeit
– macht betriebsblind
– verleitet zu Trägheit
– hemmt das Engagement
– behindert Weiterentwicklung
– bedeutet Stillstand

«Sich selber fordern, aber nicht überfordern!»

Bereits nach wenigen Berufsjahren drohe Lehrpersonen eine Routinefalle, sagt Doris Heim, die als Professorin für pädagogische Psychologie und allgemeine Didaktik an der PH FHNW unterrichtet. Das Basler Schulblatt hat sie gefragt, wie sie dieser entgehen und die Freude am Beruf erhalten können.

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Basler Schulblatt: Bei frisch ausgebildeten Lehrpersonen ist fehlende Routine ein Manko. Gestandenen Lehrpersonen droht die Routinefalle. Ist Routine nun eine Qualität oder eine Gefahr?

Doris Kunz Heim: Routine ist beides. Sie hat Vor- und Nachteile. Routine wirkt bei Lehrpersonen jeden Alters entlastend, weil Handlungsabläufe dadurch automatisiert sind und ohne viel Nachdenken ausgeführt werden können. Frisch ausgebildete Lehrpersonen müssen vor jeder Handlung oder Anweisung eine Entscheidung treffen. Zum Beispiel: Welche Materialien dürfen die Schüler selbst holen und welche nicht? Durch die zunehmende Routine fallen diese Überlegungen weg und die Lehrpersonen können ihre Aufmerksamkeit auf andere Aspekte im Unterricht fokussieren, etwa auf das Beobachten von Schülerinnen und Schülern. Routine wird dann zur Gefahr, wenn Lehrpersonen Vorgehensweisen im Unterricht und im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern beibehalten, die diesen nicht mehr gerecht werden, etwa dem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch, dem nur die wenigsten folgen können. Zu viel Routine kann bei Lehrpersonen auch zu Langeweile führen, quasi zu einem «bore-out». Lehrpersonen sind also gefordert, in jeder Berufsphase eine gute Balance zwischen Routine und Erneuerungen zu halten.

Was kann eine Lehrperson tun, um mit zunehmender Erfahrung nicht in die Routinefalle zu geraten?

Die Routinefalle droht bereits ab dem vierten bis fünften Berufsjahr. Bis dahin lernen junge Lehrpersonen kontinuierlich aus ihren Erfahrungen und eignen sich eine Praxis an, die für sie funktioniert. Ab diesem Zeitpunkt ist es eine anspruchsvolle Aufgabe, die Balance zwischen Routine und Erneuerung so zu halten, dass auch die Freude am Beruf bestehen bleibt und die Lehrperson eine hohe Meisterschaft erreichen kann. Lehrpersonen, die sich innerhalb des Berufs erneuern möchten, müssen intrinsisch motiviert und bis zu einem gewissen Grad ihr eigener Lerncoach sein. Die Balance zwischen Routine und Erneuerung zu halten gelingt dann, wenn sich Lehrpersonen bei ihrer Weiterentwicklung selbst fordern, aber nicht überfordern. Ein taugliches Vorgehen scheint mir, wenn sie eine Jahresplanung für ihre Weiterentwicklung machen. Dazu gehört, dass sie sich notieren, in welchem Bereich sie sich im folgenden Schuljahr weiterentwickeln wollen, was sie hierfür im Unterricht konkret unternehmen und welche Weiterbildung sie diesbezüglich besuchen werden.

Der Lehrplan gibt den Schulstoff vor. Für jede Stufe. Alle Jahre wieder. Welche Möglichkeiten haben denn Lehrpersonen, sich innerhalb der Vorgaben weiterzuentwickeln?

Der Lehrplan ist zwar fix vorgegeben, die Lehrpersonen haben aber trotzdem noch sehr viel Gestaltungsfreiraum. Dies sehe ich als grossen Vorteil des Lehrberufs. In Bezug auf den Unterricht gibt es zahlreiche Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Beispielsweise kann eine Lehrperson daran arbeiten, zunehmend differenzierende Lernumgebungen für die Schülerinnen und Schüler zu gestalten und zu erproben, die kompetenzorientierte Beurteilung zu vertiefen, das Lerncoaching zu verbessern, vermehrt digitale Lernangebote in den Unterricht integrieren etc. Zu diesem Zweck bietet das Pädagogische Zentrum PZ.BS zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten an. Besonders anregend scheint mir die persönliche Weiterentwicklung, wenn Lehrpersonen in gut funktionierenden Pädagogischen Teams zusammen an der Unterrichts- und Schulentwicklung arbeiten.

Die Laufbahnmöglichkeiten innerhalb des Lehrberufs sind beschränkt bis inexistent. Fehlende Aufstiegsmöglichkeiten fördern aber kaum die Motivation …

Es kommt darauf an, was man unter Laufbahn versteht. Zum einen kann man darin den beruflichen Aufstieg in Positionen mit mehr Verantwortung und besserem Gehalt verstehen. Zum anderen eine kontinuierliche Verbesserung der beruflichen Kompetenzen, bis hin zur Meisterschaft, wie oben beschrieben. In Bezug auf den beruflichen Aufstieg ist es auch in der Privatwirtschaft so, dass man sich für eine höhere Position entsprechend weiterbilden muss. Da sehe ich keinen Unterschied zum Lehrberuf. Das Pädagogische Zentrum PZ.BS und die Pädagogischen Hochschulen bieten inzwischen zahlreiche Möglichkeiten an, sich mit dem Ziel des beruflichen Aufstiegs weiterzubilden, zum Beispiel die Zusatzqualifikationen zum Heilpädagogen oder zur Schulleiterin oder die Möglichkeit, nach dem Bachelor ein Masterstudium zu absolvieren. Mit einem Master für die Sekundarstufe I lässt sich anschliessend ein Doktorats-Studium machen. Es gibt auch Weiterbildungen, die im Sinne einer Nachqualifikation zu Spezialfunktionen führen, sei es in Medien & Informatik, Führen von Klassenteams oder auch die Führung von Steuergruppen, Fachgruppen etc.  Diesbezüglich sind in den letzten 15 Jahren viele neue Angebote entstanden, die vielfältige Weiterentwicklungsmöglichkeiten erlauben.

Die Privatwirtschaft kennt Massnahmen zur Personalentwicklung respektive fördert den Wissensaustausch zwischen jungen innovativen und erfahrenen älteren Mitarbeitern gezielt. Wie ist das an den Schulen?

Was den Wissensaustausch zwischen jungen und erfahrenen Mitarbeitenden angeht, scheint mir der Zusammenhang zwischen Innovation und Lebensalter nicht zwingend. Nicht alle jungen Lehrpersonen sind innovativ und viele ältere Lehrpersonen erhalten sich ihre Meisterschaft durch kontinuierliche Innovation auf beeindruckende Weise. Was den Wissensaustausch betrifft, ist zum einen die Arbeit in den Pädagogischen Teams dazu prädestiniert, diesen zu gewährleisten. Voraussetzung ist, dass sich die jungen Lehrpersonen mit ihren Ideen einbringen und die erfahrenen offen genug sind, sich auf Neuerungen einzulassen, auch wenn diese auf den ersten Blick einen Mehraufwand mit sich bringen könnten oder der Erfolg nicht unmittelbar auf der Hand zu liegen scheint.

Was kann eine Schulleitung konkret tun, um bei den älteren Lehrpersonen Motivation und Leistungsfähigkeit zu erhalten?

Eine wichtige Möglichkeit bietet das Mitarbeitergespräch (MAG), vorausgesetzt, die Schulleitungen haben genügend zeitliche Ressourcen dafür. Im MAG können sich Schulleitende nach der beruflichen Situation der Lehrperson erkundigen und diese besprechen. Sie haben zudem die Möglichkeit, der Lehrperson ihre Wertschätzung entgegenzubringen, was ein wichtiger Motivator für jede Weiterentwicklung ist. Falls die berufliche Situation für die Lehrperson sehr belastend ist, können sie mit ihr mögliche Lösungen besprechen. Was die Motivation und Leistungsfähigkeit betrifft, können Schulleitende mit der Lehrperson zum Beispiel deren Jahresplanung für die berufliche Weiterentwicklung besprechen und vereinbaren, dass die Lehrpersonen beim nächsten MAG über ihre diesbezüglichen Aktivitäten und Erfahrungen Bericht erstatten. Dadurch entsteht eine höhere Verbindlichkeit für die Weiterentwicklungsvorhaben der Lehrpersonen. Selbstverständlich können Schulleitende diese Entwicklungsvorhaben nicht nur mit einzelnen Lehrpersonen, sondern auch mit Pädagogischen Teams vereinbaren.

Gibt es spezifische Weiterbildungen für die Berufsabschlussphase?

Mir sind aktuell keine spezifischen Weiterbildungen für diese Phase des Lehrberufs bekannt. Um den Übergang aktiv zu gestalten, können Coachings sehr unterstützend sein. In Basel etwa mit den Mitarbeitenden der Beratungsstelle PZ.BS. Zudem bietet der Kanton Basel-Stadt ja allen Mitarbeitenden einen Pensionierungskurs an.

Interview Yvonne Reck Schöni

Jeden Tag dieselbe Leier? Mitnichten

Wenn du jedes Jahr Mitte August neue Klassen empfängst, wenn du über Jahre im Kollegium identische Probleme wälzt und gefühlte Millionen Male dieselben Elternfragen beantwortest … dann schläft dir doch irgendwann das Gesicht ein, oder? Mit dieser These hat das Schulblatt drei langjährige Schulleitungen konfrontiert. Und gestandene Lehrpersonen fragten wir: Wenn man zum x-ten Mal den Satz des Pythagoras, die Alten Römer oder die Wortarten vermittelt – wie spannend ist das? Hilft Routine oder ist sie eher hinderlich? Auf den folgenden Seiten blicken Lehrpersonen verschiedener Schulstufen auf ihre Schulkarriere zurück. 

«Nur Weniges ist Routine»

Eugen Krieger, seit 24 Jahren Pädagoge, davon 14 Jahre Rektor am Gymnasium Münsterplatz

«Ja, es gibt Routine in meinem Job und ich geniesse das. Denn Routine macht nur einen klitzekleinen Teil meines Alltags aus. Der Rest gestaltet sich dadurch, dass ich mit extrem unterschiedlichen Menschen zu tun habe: Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler, Eltern oder der Hauswart – alle sind wichtig für den Betrieb und alle haben unterschiedliche Bedürfnisse. Da kann dir gar nicht langweilig werden. Um in der jetzigen Situation nicht ‹abzuschalten› betrachte ich das Glas immer als halb voll und nicht halb leer. Wir dürfen an den Mittelschulen noch immer Präsenzunterricht durchführen. Das finde ich einen gigantischen Aufsteller. Und – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – dürfen wir in einem sicheren Job arbeiten, das geht manchmal etwas unter.»

«Auf Bewährtes nicht verzichten»

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Beatrice Regli, seit 39 Jahren Pädagogin, davon 9 Jahre als Schulleitung an der Primarstufe Theodor

«Klar, im Schulalltag gibt es einen Rahmen, der jedes Jahr ähnlich ist. Langweilig ist dieser Rahmen aber nicht, denn man kann als Schulleitung gut mitsteuern, was sich ändern soll. Es gibt Dinge, die sich in all den Jahren bewährt haben, darauf möchte ich nicht verzichten. Wir begrüssen zum Beispiel jedes Jahr bereits im Juni die neuen Lehrpersonen an einem Nachmittag, zeigen ihnen das Schulhaus und beantworten erste Fragen. Auf der anderen Seite haben wir am Anfang nach dem Schulstart Elternabende in den 1. Klassen gemacht, an denen viel zu viele Informationen auf die Eltern eingeprasselt sind. Diese Abende haben wir abgeschafft und die Informationen auf zwei Anlässe verteilt. Während Corona konnte ich mich immer wieder auf Routine verlassen. Ich kenne zum Beispiel manche Kolleginnen und Kollegen schon seit Jahrzehnten. Dies half mir einschätzen zu können, welche Bedürfnisse die Lehrpersonen in dieser komplizierten Zeit haben. Zu Beginn versuchte ich Informationen zum Beispiel zu bündeln und nicht täglich Updates an unser Kollegium zu verschicken. Die Gespräche untereinander zeigten jedoch, dass man in dieser Zeit lieber zu viel als zu wenig Information will. Deshalb haben wir während des Lockdowns hier Anpassungen vorgenommen.»

«Routine nimmt auch Druck weg»

Götz Arlt, seit 22 Jahren Pädagoge, davon 9 Jahre als Schulleitung an der Sekundarstufe Sandgruben.

«In jedem Beruf gibt es Fixpunkte, die sich nicht völlig verändern, auch in der Schulleitung. Trotzdem wird dir nie langweilig. Zwar meine ich frühmorgens jeweils zu wissen, was der Tag bringen wird, werde dann aber immer wieder aufs Neue von allen möglichen Anfragen, Bitten um Support etc. überrascht. Aus diesem Grund pflege ich meine Routinemomente im Alltag, damit ich nicht zu sehr fremdgesteuert werde. Dazu gehören das Abarbeiten von E-Mails am Morgen früh und das Arbeiten an Pendenzen gegen Abend, wenn es im Haus ruhig wird. Unsere zwei wöchentlichen Sitzungstermine in der Schulleitung sind uns ebenfalls heilig. Rückblickend teile ich die Corona-Krise in zwei Phasen ein. Zu Beginn warfen wir alle Alltagsroutine über Bord, kommunizierten täglich und reagierten spontan auf die Herausforderungen. Dann merkten wir, dass wir Gefahr liefen, in eine ‹Aktionitis› abzudriften. Deshalb pflegten wir Routine wieder stärker, schrieben erneut wöchentliche Schulinfos statt tägliche Mails, machten mit dem Personal Sitzungen am Donnerstagnachmittag, statt uns ständig via Teams auszutauschen. Dies nahm Druck von allen Beteiligten und wir merkten: Es entlastet, wenn man nicht alles sofort macht, sondern priorisiert.»

Aufgezeichnet von Simon Thiriet

«In welchem Beruf hat man so viele Freiheiten?»

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Felix Albrecht, Klassenlehrer an der Sekundarschule De Wette

«Ob es mir je langweilig geworden ist, jahrzehntelang zu unterrichten? Lustig, diese Frage hab ich mir eigentlich noch gar nie gestellt. Aber nein, erstaunlicherweise nicht! Ich gebe seit 40 Jahren Schule, die letzten 30 Jahre als Klassenlehrer, zurzeit in einem A-Zug, und unterrichte mittlerweile die meisten Fächer selber. Studiert hatte ich ursprünglich Sport, Englisch und Geschichte. Später kam Deutsch hinzu. In die anderen Fächer habe ich mich dann selber eingearbeitet – auch mit Hilfe von Kolleginnen und Kollegen. Es ist ein Riesenvorteil, wenn man als Lehrperson in einem A-Zug möglichst viele Fächer unterrichtet. Das stärkt den Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen. A-Zug-Schülerinnen und -Schüler sind oft überfordert, wenn sie viele verschiedene Lehrpersonen mit unterschiedlichen Charakteren und Ansprüchen haben.

Es ist eine Challenge, so viele Fächer zu unterrichten, aber es macht auch unheimlich Spass. Ich versuche immer und in allen Fächern, einen Bezug zum Alltag zu finden. Das ist in einem A-Zug zwingend. In Geschichte zum Beispiel haben viele meiner Schülerinnen und Schüler nicht das geringste Vorwissen und auch keine Affinität für Vergangenes. Das macht es schwierig, denn alles, was heute passiert, baut ja auf Vorkommnissen in der Vergangenheit auf. In Fächern wie Englisch und Französisch haben dafür die ‹native speakers› mehr Vorwissen als ich, da kann ich sie dann gut als meine Assistenten einsetzen.

 Weniger Stress dank Routine

Meine Routine kommt mir insofern zugute, als ich mich in schwierigen Situationen kaum mehr stressen lasse. Ich kann Dinge aufgrund meiner Erfahrung besser einordnen und auch mal junge Kolleginnen und Kollegen beruhigen, wenn wir mit immer neuen Anforderungen und Aufträgen von ganz oben an unsere Grenzen stossen. Ein Vorteil ist auch, dass ich, wenn ich mal besonders viel am Hals habe, für die Unterrichtsvorbereitung auf früher Erarbeitetes zurückgreifen kann. Weil ich alles im Computer gespeichert habe, kann ich schnell Inhalte abrufen und an die momentane Klasse und Situation anpassen. Ich bin keiner, der alle drei Jahre ‹die immer gleiche Schublade räumt›, wie man so sagt. Das gibt es heute eigentlich gar nicht mehr. Heute würden sich Eltern und Gesellschaft beschweren. Zu Recht!

Es hilft mir, dass ich seit bald drei Jahrzehnten mit Computern arbeite. Dadurch konnte ich mich, auch dank der Hilfe junger Lehrpersonen im Kollegium, zum Beispiel während des Lockdowns vor einem Jahr, sehr schnell in die Plattform ‹Teams› einarbeiten. Der Lockdown war trotzdem schwierig, ganz besonders für die Schülerinnen und Schüler im A-Zug. Die sind zwar dauernd am Handy, aber mit dem Arbeiten am Computer oder Laptop sind viele trotzdem überfordert. Zu jener Zeit habe ich manchmal sieben, acht Stunden täglich am Computer verbracht, manchmal eine Stunde oder länger mit demselben Schüler, bis er begriffen hat, was er wie machen muss. Trotzdem möchte ich die Erfahrung nicht missen. ‹Teams› ist jetzt alltäglich geworden, ich lade das meiste Unterrichtsmaterial wie Arbeits- oder Textblätter dort hoch. Käme es zu einem erneuten Lockdown, was ich nicht hoffe, wäre meine jetzige Klasse gut gerüstet.

Ungebrochene Leidenschaft

Dank meiner Leidenschaft fürs Unterrichten und des Umstands, dass ich so viele Fächer unterrichte, wird es mir nie langweilig. Ich bin ein Philanthrop. Und ich finde dieses Alter toll! Vielleicht auch deswegen, weil ich mich selber gern an meine Jugend erinnere und in dieser Zeit sehr gute Lehrer gehabt habe. Ich habe ja immer wieder neue Klassen, denen ich meine Unterrichtsthemen jeweils anpasse. Natürlich gibt es den Lehrplan, aber der gibt nur etwa die Hälfte des Lernstoffs vor. Für den Rest bin ich frei. Oder nehme mir diese Freiheit einfach! In welchem Beruf hat man so viele Freiheiten? Ich sage immer: Ich habe keinen Beruf, ich habe ein Privileg!»

 

Aufgezeichnet von Yvonne Reck Schöni

«Wer seinen Job ernst nimmt, dem wird nicht so schnell langweilig»

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Albert M. Debrunner, Lehrer für Deutsch und Englisch am Gymnasium Bäumlihof

«Für mich war schon früh klar, dass ich später einmal Gymnasiallehrer werden will. Ich habe deshalb auch bereits eine Woche nach der Matur mit dem Studium in Deutsch, Englisch und Philosophie begonnen. Damals hätte ich mir aber nicht träumen lassen, dass ich erst mit 34 Jahren das Lehrerseminar machen und dann im Jahr 2000 als Lehrer ans Gymnasium Bäumlihof zurückkehren würde. Nach dem Lizentiat blieb ich – statt wie geplant für ein dreimonatiges Praktikum – fünf Jahre bei den Basler Afrika Bibliographien hängen, und danach arbeitete ich einige Jahre als Assistent in Zürich und Lausanne und bei einem Nationalfondsprojekt zum Thema «Pazifistische Schriftsteller im Schweizer Exil während des 1. Weltkriegs».

Dass ich seit jeher neben dem Unterrichten immer viele andere Interessen pflege, ist sicher mit ein Grund, warum bei mir bis heute eigentlich noch nie das Gefühl aufkam, in einem Hamsterrad zu drehen. Ich konnte es immer einrichten, nur in einem 80-Prozent-Pensum in meinem Hauptberuf zu arbeiten. Das erlaubt mir, daneben Bücher zu schreiben, und während einiger Jahre konnte ich so das ehrenamtliche Präsidium der Allgemeinen Lesegesellschaft übernehmen. Ich glaube, wer seinen Job, mit Jugendlichen zu arbeiten, ernst nimmt, dem wird es nicht so schnell langweilig. Eine gewisse Routine stellt sich mit der Zeit natürlich schon ein, doch da sehe ich vor allem positive Seiten. Wenn man Erfahrungen hat, was im Unterricht funktioniert und was eher nicht, kann man den Fokus verstärkt auf das Pädagogische legen.

Ich lese sehr viel und versuche, wenn mir ein Buch für den Unterricht geeignet erscheint, meine Faszination und Begeisterung auch auf meine Klasse zu übertragen. Sowohl in Deutsch wie Englisch lese ich deshalb mit meinen Klassen viel zeitgenössische Literatur, bei der es noch keine vorgespurten Wege gibt, wie man das im Unterricht angehen soll. Auch Klassiker kommen aber durchaus gut an, wenn man den richtigen Zugang findet. Wenn einige freiwillig beginnen, Sonette auswendig lernen, weil sie Shakespeare geil finden, habe ich mein Ziel erreicht. In einer Klasse lese ich gerade Goethes Werther und verknüpfe das mit einem aktuellen Hörspiel zu Jugendsuiziden – das verschafft auch mir einen ganz neuen Zugang zu dem Buch, das ich schon mehrmals im Unterricht behandelt habe.

Mit zunehmender Routine merkt man, dass es entscheidend ist, wie man etwas im Unterricht bringt. Selbst wenn ich zwei Parallelklassen habe, lese ich fast nie in beiden die gleichen Werke, sondern versuche immer, die Lektüre auf die Bedürfnisse einer Klasse auszurichten. Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass ich mich auch in der Freizeit intensiv mit Literatur beschäftige und beispielsweise literarische Spaziergänge durch die Stadt anbiete. Es ist deshalb auch schon vorgekommen, dass sie mich gefragt haben, ob ich nicht eine Führung zu den vielen literarischen Bezügen im Münster für sie machen könnte.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich im Vergleich zu einer Volksschullehrperson bei der Gestaltung meines Unterrichts sehr frei und privilegiert bin. Diese Freiheit zu nutzen, ist oft mit Mehraufwand verbunden, der sich aber lohnt und letztlich viel Befriedigung im Beruf bringt. Lesen kann ich auch für mich selber. Sich mit Jugendlichen über Bücher auszutauschen, die beide Seiten gelesen haben, ist für eine Lehrperson sehr bereichernd, wenn sie bereit ist, von der Sicht des Gegenübers zu lernen.

Natürlich gibt es auch in meinem Unterricht Dinge, die sich wiederholen. Aber auch wenn es beispielsweise um Grammatik geht, lässt sich Langeweile vermeiden, wenn man den Mehraufwand nicht scheut, Neues auszuprobieren. Immer wieder von vorne anfangen zu müssen, finde ich weniger belastend und ermüdend als die vielen Reformen, die wir in den letzten Jahren zu bewältigen hatten. Nachdem das Gymnasium verkürzt, unser GBplus-Modell eingeführt und der Totalumbau des Schulhauses endlich abgeschlossen ist, wäre es nun höchste Zeit, wieder zu etwas mehr Normalität zurückzukehren. Doch da hat Corona gleich wieder verhindert, dass momentan auch nur ein bisschen das Gefühl von Langeweile aufkommen könnte.»

Aufgezeichnet von Peter Wittwer

«Routine hilft, Rohdiamanten zum Glänzen zu bringen»

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Ruedi Glaser, Lehrer für Wirtschaft und Recht an der WMS und am WG

«Ich habe mich schon früh für wirtschaftliche Zusammenhänge interessiert, kann aber durchaus verstehen, dass das auch an einer Wirtschaftsmittelschule oder einem Wirtschaftsgymnasium nicht allen so geht. Eine Schülerin hat mir einmal gesagt: ‹Obwohl ich rückblickend wohl das falsche Schwerpunktfach gewählt habe, haben Sie mir die Schulzeit einigermassen erträglich gemacht.› Ich empfand das als Riesenkompliment. Als Lehrer sehe ich es als meine Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler in den paar Jahren, in denen sie bei uns in die Schule gehen, wie Rohdiamanten zu bearbeiten und sie zum Glänzen zu bringen.

Im Laufe der Jahre kennst du immer mehr Tricks, wie das gelingen kann. Ich erinnere mich noch gut, wie das am Anfang trotz der Erfahrung, die ich von der Jugendarbeit im Handball mitbrachte, ein Krampf war. In meinem Job als Lehrer für Wirtschaft und Recht auf der Sekundarstufe II brauchst du fünf Jahre, bis du alles einmal gemacht hast. Nach zehn Jahren kannst du dann einschätzen, was wichtig ist und was die Schülerinnen und Schüler brauchen, um etwas zu begreifen.

Als ich mich nach dem Studium entscheiden musste, ob ich eine Stelle in der Unternehmensberatung annehmen oder Lehrer werden soll, habe ich schon nach ein paar Probelektionen gemerkt, dass die Arbeit mit Jungen für mich das Richtige ist. Um im Lehrerberuf glücklich zu werden, ist die Liebe zu jungen Menschen und zum Fach zentral. Wenn jemand in einer Klasse Probleme macht, schaue ich deshalb immer, dass das nicht zu viel Gewicht bekommt, sondern rede lieber von den 23 anderen und der Freude, die mir der Unterricht mit ihnen macht.

Natürlich gibt es auch in meinem Fach Dinge, die mit der Zeit mühsam sind und die sich beispielsweise bei der Einführung in betriebswirtschaftliche Grundlagen nicht gross ändern. Im kaufmännischen Bereich ist in den letzten Jahren aber sehr viel im Wandel: Die im Vergleich zum Gymnasium eng getakteten Lehrpläne der WMS werden ständig aktualisiert, und kaum hat man ein Lehrmittel im Griff, kommt ein neues. Insbesondere wenn es um vermeintlich trockene Rechtsfragen geht, gibt es zudem immer wieder die Möglichkeit, an aktuelle Beispiele anzuknüpfen: Als kürzlich das Bundesgericht seine Praxis bei der Unterhaltspflicht nach einer Scheidung angepasst hat, habe ich das gleich in den Unterricht eingebaut. Und wenn ich zeigen will, wie ein KMU funktioniert, illustriere ich das ab und zu gerne am Beispiel des FCB.

Um nicht in langweilige Routine zu verfallen, bringt es auch viel, sich über den Unterricht hinaus in der Schule zu engagieren. Ich organisiere gerne und finde Lager nach wie vor etwas vom Tollsten, was der Lehrerberuf mit sich bringt. Nach wie vor spannend für mich sind die YES-Projekte, bei denen ich seit Jahren immer wieder neue Gruppen beim Gründen von Jungunternehmen begleite. Und auch die Arbeit als Konferenzpräsident hat mir neben einigem Mehraufwand auch immer wieder das eine oder andere Erfolgserlebnis verschafft. Eine Berufskrise im eigentlichen Sinne hatte ich auch deshalb noch nie, weil es zu 100 Prozent sinnvoll ist, in junge Menschen zu investieren. Obwohl ich beruflich sehr viel Aufwand betreibe, habe ich auch in den letzten Monaten nie das Gefühl gehabt, in ein Burnout zu laufen. Ich führe das stark darauf zurück, dass ich mich im Kollegium gut integriert fühle und – auch das ist wichtig – dass mir meine Erfahrung mittlerweile hilft, meinen Schulalltag effizient zu planen.

DER Termin der Woche ist für mich der Lehrerfussball, den ich nie verpassen will. Neben nicht allzu viel Stress im Privatleben und einem Ausgleich in der Freizeit, bei mir eben der Sport, sind diese Faktoren sehr wichtig, um sich seine Begeisterung für den Beruf bis zur Pensionierung bewahren zu können. In den Sommerferien nehme ich mir jeweils eine Woche Zeit, um das Programm in allen Klassen schon so weit als möglich vorzuplanen. Das verhindert aber nicht, dass ich meist vor Beginn eines neuen Schuljahres eine schlaflose Nacht habe: Nicht aus Angst, sondern aus Vorfreude, was mich im neuen Jahr an neuen Gesichtern und Erlebnissen in der Schule erwartet.»

Aufgezeichnet von Peter Wittwer

«Veränderungen gab es in den vergangenen Jahren genug»

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Ruth Wetter, Klassenlehrerin an der Primarschule Margarethen

«Ich bin Vollblutlehrerin. Seit fast 40 Jahren arbeite ich als Primarlehrerin und habe eigentlich nie so genau abgrenzen können zwischen Privatem und Beruflichem. Es ging ja immer um Menschen. Direkt nach meiner Ausbildung am Lehrerseminar fand ich allerdings nicht gleich eine feste Stelle. Ich übernahm Stellvertretungen, gab Deutschkurse und Mathe-Nachhilfe, bis ich dann 1988 meine erste feste Stelle im Gundeldingerschulhaus antrat. Es war gleich eine happige Klasse mit vielen schwierigen Kindern. Als Berufseinsteigerin musste ich mir alle Unterrichtsthemen und Arbeitsmaterialien selber erarbeiten und habe in acht Jahren extrem viel gelernt. Teamarbeit war damals noch kaum ein Thema.

1996 zogen wir um ins neu erbaute Margarethenschulhaus. Auch dort war ich wieder mit einer sehr schwierigen Klasse konfrontiert. Schon Drittklässler schwänzten die Schule, es gab noch keine zusätzlichen Fach- und Lehrpersonen in den Klassen, ich war für alle und alles allein zuständig … und wurde krank. Rund drei Monate musste ich mit einem Burnout pausieren. Schulintern gab’s damals noch wenig Support, ich holte mir darum privat professionelle Hilfe. In dieser Zeit haben mich mein Mann als Hausmann und Selbständigerwerbender und auch andere im privaten Umfeld sehr unterstützt! Das ist bis heute so. Auch die private Supervision möchte ich nicht mehr missen.

Danach kehrte ich in den Schuldienst zurück. Voll motiviert, denn es ist so ein toller, sinnvoller und vielseitiger Beruf! Eigentlich habe ich viele Berufe: Ich bin auch noch Erziehungs- und Lebensberaterin, Event-Managerin, betreue die Schulbibliothek … und überall habe ich grossen Gestaltungsfreiraum. Natürlich habe ich inzwischen eine gewisse Routine, was den Unterrichtsstoff angeht. Zum Glück! Denn da kann ich auf Vorhandenes zurückgreifen, auch wenn ich das immer wieder abwandle und ergänze. Auch in der Wiederholung wird es mir ganz sicher nicht langweilig.

Langweilig finde ich höchstens, den Kindern IMMER wieder aufs Neue zu sagen, wo die Schuhe hingehören. Oder den Eltern zum hundertsten Mal das Gleiche zu erklären. Aber zum Glück bin ich heute mit diesen Herausforderungen nicht mehr allein. Wir sind ein Team, bestehend aus Heilpädagogin, Logopädin und – weil in meiner jetzigen Klasse drei hörgeschädigte Kinder sind – auch einer Audiopädagogin und einem Gebärdensprachlehrer. Die eindeutig beeinträchtigten Kinder sind nicht das Problem. Die wirkliche Herausforderung sind die Verhaltensauffälligen. Und auch wenn das Arbeiten im Team toll und entlastend ist: Die Organisation der Kooperation bedeutet auch Aufwand.

Ich denke und fühle ganzheitlich, das Zwischenmenschliche hat grossen Einfluss auf meine Arbeit. Die Beziehung zu meinen Schülerinnen und Schülern ist für mich zentral. Eine richtige Vertrauensbasis stellt sich meist erst im Verlauf der zweiten Klasse ein. Erste Klassen sind für mich stressiger, alles ist neu, oft auch für die Eltern. Es fehlt an Erfahrung und Routine, für mich durchaus positive Werte, denn Veränderungen gab es in den vergangenen Jahren genug! Die Einführung der Fünftagewoche und der Blockzeiten, ein neues Schulsystem, neue Lehrmittel, ein neuer Lehrplan, die integrative Schule und damit verbunden neue Arbeitsformen im Team, immer mehr Sitzungen, zunehmend schwierige Kinder, aber auch Eltern … ganz zu schweigen von kleinen Veränderungen wie etwa eine neue Schulschrift. Ich bin dankbar, dass die Schulen heute viel mehr Unterstützung anbieten. Jungen Lehrpersonen rate ich, wenn sie mich darum bitten: Vernetzt euch! Und holt euch rechtzeitig Hilfe!»

Aufgezeichnet von Yvonne Reck Schöni       

«Routine gibt Raum für Kreativität und Neues»

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Routine, Langeweile, Motivation, Corona-Müdigkeit: Wie erlebt das Team der Beratungsstelle PZ.BS diese Themen in Gesprächen mit Lehr- und Fachpersonen? Leiterin Elisabeth Schneeberger Günesoglu und Beraterin Katja Hoffmann berichten.

Routine? Mehr Raum!

«Viele Lehr- und Fachpersonen sehen das Unterrichten in erster Linie als Berufung und nicht nur als Beruf. Sie möchten sich eine gewisse Routine manchmal kaum eingestehen, weil sie meinen, diese gehe mit einer qualitativen Einbusse ihres Unterrichts einher. Denn Routine ist oft negativ konnotiert. Dabei kann sie unglaublich hilfreich und entlastend sein. Und Routine gibt auch Raum für Kreativität und Neues. Lehrpersonen zu Beginn ihrer beruflichen Praxis zum Beispiel benötigen viel Vorbereitungszeit, weil jeder Schritt überlegt sein will. Mit zunehmender Berufserfahrung entwickeln sich manche Teile der Lektionen zu einer gewissen Routine, sodass die gewonnene Zeit für Neues genutzt werden kann.»

Langeweile? Wandel!

«Langeweile ist häufig Ausdruck einer Unterforderung. Lehr- und Fachpersonen sind aber im Gegenteil eher mit Überlastung und schulischem Wandel konfrontiert. Berufsmüdigkeit bei Lehr- und Fachpersonen beobachten wir deshalb eher im Zusammenhang mit den beschränkten beruflichen Entwicklungsperspektiven. Manche steigen deswegen aus dem Lehrberuf aus, andere machen eine Weiterbildung, zum Beispiel in Heilpädagogik oder ‹Deutsch als Zweitsprache›, oder bauen sich ein zweites berufliches Standbein auf und kombinieren die beiden Tätigkeiten miteinander. Eine abwechslungsreiche Berufsbiografie trägt, so unsere Beobachtung, zur Zufriedenheit bei. Verbesserte Rahmenbedingungen des Arbeitgebers – beispielsweise wechselnde und entlöhnte Zusatzaufgaben – könnten hier entgegenwirken.»

Motivation? Sinnhaftigkeit!

«Wenn ich das, was ich mache, als sinnvoll erlebe, motiviert mich das. Bei den Lehr- und Fachpersonen ist da zum Beispiel die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern: Sie begleiten sie und geben ihnen etwas fürs Leben mit – und leisten damit auch einen gesellschaftlichen Beitrag. Das motiviert. Fehlt hingegen die Sinnhaftigkeit, beispielsweise aufgrund veränderter Aufgaben oder Rahmenbedingungen, kann das demotivierend sein. Die Aufmerksamkeit wieder bewusst auf die sinnhaften Aspekte der eigenen Tätigkeit zu richten, kann in vielen Fällen bereits ausreichend sein. Manchmal sind aber auch berufliche Veränderungen angezeigt.»

Corona? Wertschätzung!

«Eine eigentliche ‹Corona-Müdigkeit› beobachten wir in der Beratungsstelle kaum. Natürlich gibt es die Sorge um die eigene Gesundheit oder Mehrbelastungen im beruflichen Alltag, wenn neue Regelungen eingeführt werden. Vor allem aber sind es lieb gewonnene Traditionen wie Museumsausflüge, Schulhausfeste, der Herbstmesse-Besuch oder das gemeinsame Singen, die die Lehr- und Fachpersonen – ebenso wie die Schülerinnen und Schüler – vermissen, denn sie gehören zu den Highlights eines Schuljahres. Dem Wegfall solcher Aktivitäten steht die Wertschätzung gegenüber, die den Lehr- und Fachpersonen während der ersten Pandemie-Welle entgegengebracht wurde: Was sie in der Schule leisten, ist ins öffentliche Bewusstsein gedrungen.»

Aufgezeichnet von Valérie Rhein

Mehr zum Thema gibt es auf der Website der KSBS: «Corona geschafft oder corona-geschafft? Erfahrungen und Denkanstösse aus der Beratungsstelle PZ.BS»:  

So entgeht man der Routinefalle

Bild Legende:
  1. Wagen Sie neue Wege! Etwa mit neuen Unterrichtsformen.
  2. Schreiben Sie ein Erfolgstagebuch! Das stärkt das Selbstbewusstsein.
  3. Bilden Sie sich weiter! Momentan halt online.
  4. Teilen Sie Wissen mit anderen! Austausch erweitert den Horizont.
  5. Lesen Sie Blogs! Das führt zu neuen Denk- und Herangehensweisen.
  6. Lernen Sie «nein» zu sagen! Auch wenn Sie etwas 20 Jahre lang gemacht haben.
  7. Seien Sie selbstkritisch! Was früher gut war, muss heute nicht mehr gelten.
  8. Trauen Sie sich mehr zu! Zum Beispiel den Umgang mit digitalen Medien.
  9. Lesen Sie Fachliteratur! Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sichern den Anschluss.
  10. Nehmen Sie sich Zeit für sich! Ältere Menschen brauchen mehr Ruhephasen.
  11. Seien Sie dankbar! Sie haben einen sicheren Job, eine sinnstiftende Arbeit, einen fairen Lohn
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