Von Ramon zu Herrn Gonzalez

«In der Schule habe ich mich immer wohlgefühlt. Sie war für mich wie ein Zuhause, irgendwie, trotz aller Schwierigkeiten. Ich habe schon während der Schulzeit angefangen, Nachhilfe in Mathematik zu geben. Dabei habe ich gemerkt, dass mir das richtig liegt und dass ich gerne Wissen vermittle. Zum Lehrberuf bin ich aber erst viel später über einige Umwege gekommen.
Als Kind bin ich öfters umgezogen, was natürlich auch verschiedene Schulwechsel mit sich brachte. Mein Vater hat bei der Sandoz gearbeitet und wurde zweimal nach Brasilien geschickt. Wir haben ihn als Familie begleitet. Den Kindergarten habe ich noch in Allschwil besucht, dann bin ich in der Escola Suiço-Brasileira de São Paulo eingeschult worden. Zurück in der Schweiz habe ich im Talholz-Schulhaus in Bottmingen bei Frau Brunner und Herrn Dunkel die Primarschule zu Ende besucht und bin dann fürs Progym weiter ins Spiegelfeld nach Binningen. Nach weiteren drei Jahren in Brasilien machte ich im Gymnasium Holbein die Matur im neusprachlichen Typus.
Ich selber war ein ganz furchtbarer Schüler, sehr aufsässig. In den Fächern, die ich mochte, war ich ruhig, aber sonst war ich frech und immer auf der Suche nach Grenzen. So bin ich oft angeeckt. Ich habe grosse Ehrfurcht vor den Lehrpersonen, besonders vor denen, die mich in den letzten drei Jahren im Holbein begleitet haben. Sie haben mich auch als Menschen akzeptiert, wie ich war, obwohl ich immer noch unruhig und exzentrisch war. Das war vorher nicht immer der Fall. Aus der Zeit im Progym habe ich den fast schon militärischen Drill in Erinnerung, wo man uns keinen Mucks machen liess. Noch stärker in Erinnerung geblieben ist mir allerdings die Zeit ausserhalb der Schule. Anfang der achtziger Jahre war sehr viel los: Das war die Zeit vom AJZ (Autonomes Jugendzentrum), ich spielte Theater und war in einer Punkband. Auch einen Film habe ich mit Freunden zusammen gedreht. Die Schule war nur ein Nebenschauplatz und hat mich dann teilweise sehr wenig interessiert.

Nach der Matura bin ich meiner Leidenschaft gefolgt und habe Erdwissenschaften, also Geologie, studiert. Als Postdoc war ich viele Jahre an verschiedenen Unis tätig: zwei Jahre in Miami, dreieinhalb Jahre in Oxford und fünf in Portugal. Als unsere Tochter zur Welt kam, erwachte in uns allerdings der Drang nach etwas Stabilität. Zurück in der Schweiz beschloss ich, Gymi-Lehrer zu werden. Zu meinem grossen Schrecken musste ich feststellen, dass mein Mathematikstudium im Nebenfach aus den 1980er-Jahren nicht angerechnet wurde. Dann bin ich mit 44 Jahren an die Universität hier in Basel gegangen, habe nochmals neu Mathematik studiert und die zwei Jahre an der Pädagogischen Hochschule angeschlossen. Ich habe praktisch sofort diese Stelle bekommen und es macht mir so viel Spass. Ich unterrichte fast nur auf Englisch, also Mathematik immersiv auf Englisch fürs International Baccalaureate. Das liegt mir, wahrscheinlich weil ich sehr viel in der Weltgeschichte umhergeschwebt bin.
Im Lehrberuf bin ich wirklich zufrieden und als Person bin ich meistens happy. Es ist immer noch ein Beruf mit ganz grossen Freiheiten. Ich kann meine Stunden selber gestalten und es redet mir keiner rein. Was mir auch wirklich gefällt ist die Dynamik. Wir können nicht vorhersehen, was die Schülerinnen und Schüler vom Schulstoff verstehen, was sie im Leben sonst noch so bewegt und was für Fragen sie in den Unterricht mitbringen. Es ist diese Unvorhersehbarkeit, die mir wirklich gefällt.
In meiner Schulzeit hatte ich ein paar wirklich starke Lehrer, die mich sehr geprägt haben. Diese Zeit liegt jetzt schon weit in der Vergangenheit, aber die Art meines Mathelehrers, an die ich mich erinnere, würde ich heute als freundlichen Sarkasmus einstufen. Er hatte immer passende Sprüche zur Hand, blieb aber freundlich zu den Schülerinnen und Schülern. Das ist mir wirklich geblieben und das möchte ich als Lehrer heute auch anstreben: Auf der einen Seite den Humor behalten und auf der anderen Seite aber auch eine klare Linie vermitteln.»
Aufgezeichnet von Claudia Ribeiro Xavier und Maren Stotz. Foto: Claudia Ribeiro Xavier