Wer unterrichtet hier?
«Wow, ich sehe so viele coole Sachen auf diesem Bild! Das Erste, was mir auffällt, ist der Döggeli-Tisch. Als Nächstes sehe ich dünne Matten auf dem Boden verteilt, die ähnlich sind wie die, die wir in der Schule beim Turnen haben. Jedoch sind diese grün statt blau – auch ein bisschen dünner, glaube ich. Wahrscheinlich ist wegen der Matten ein sportlicher Lehrer in diesem Raum. In der Mitte des Fotos sehe ich so eine Art Spielhaus. Auf der rechten Seite des Hauses sehe ich Treppen, die hochgehen. Und auf der linken Seite sehe ich eine Rutsche, mit der man wieder vom Haus runterrutschen kann. Ich wünschte, man könnte solche Rutschen auch in der Schule haben, das fände ich sehr cool. Zusätzlich hat das Haus unten einen Geheimraum. Dieser Geheimraum hat ein Fenster, das so aussieht wie das Fenster in einem Gefängnis. Dort kann man sicher sehr gut Räuber und Polizisten spielen. Ich glaube nicht, dass auf diesem Foto ein Klassenzimmer abgebildet ist. Dafür hat es viel zu viele tolle Spielsachen. Ich sehe noch ein Trampolin und dahinter so komische Dreiecke. Ich weiss nicht, was die sein sollen. Ich glaube, es könnte eine Tagesstruktur sein. Bei meiner Tagesstruktur haben wir auch viele Spielgelegenheiten wie auf diesem Bild. Ich denke, in dieser Tagesstruktur ist die Aufsichtsperson ein Mann, weil es einen Döggeli-Tisch hat und er immer dort mitspielt. Er hätte aber keine Chance gegen mich, weil ich der Beste im Döggele bin!»
Aufgezeichnet von Erdit Sadiki
Damian ist sofort aufgefallen, wie viele Spielmöglichkeiten es in diesem Zimmer gibt. Er tippt auf eine Tagesstruktur – und liegt damit richtig: Zoi Salmo (32) arbeitet seit acht Jahren als Fachperson Kinderbetreuung. Sie wuchs in Griechenland auf und studierte Pädagogik. Nach dem Studium zog sie in die Schweiz, lernte Deutsch und fand eine Stelle bei der Tagesstruktur Bläsi. Zuerst als Praktikantin, dann als Fachperson. Seit Kurzem ist sie auch Assistenzperson bei einer Primarlehrerin und begleitet ein Kind mit besonderen Bedürfnissen durch den Schulalltag.
Kurz nachdem die Schulglocken am Mittag klingeln, geht das Treiben in der Tagesstruktur Bläsi los, und die ersten Kinder trudeln ein. Als Erstes geht es meistens zur Essenausgabe im liebevoll eingerichteten «Restaurant». In kleinen und grösseren Gruppen schmieden die Kinder während des Mittagessens Pläne für die Nachmittagsaktivitäten und tauschen sich über Schulerlebnisse aus oder darüber, was alles in der grossen Pause passiert ist. In dieser Tagesstruktur mit mehreren Etagen, die sich auf dem Dach der Turnhalle befindet, gibt es alles, was sich Kinder wünschen: Rutschbahn, Pingpongtisch, Bastelraum. Die Kinder haben verschiedene Möglichkeiten, ihre Freizeit mit anderen Kindern zu verbringen. «Wir Fachpersonen begleiten und motivieren die Kinder dabei und versuchen ein möglichst vielseitiges Programm anzubieten», sagt Zoi Salmo.
Alles, was das Herz begehrt
Jede Woche bringt neue Überraschungen und Herausforderungen in der Tagesstruktur Bläsi. Nicht nur das Menü wird jeweils angepasst, sondern auch die Freizeitangebote. Ein Tagesverantwortlicher behält den Überblick über die Aktivitäten. «Wir gehen in den Wald, Schlittschuh fahren, auf den Spielplatz, zum Spielestrich oder in die Dreirosenhalle. Im Sommer sind wir bei schönem Wetter die meiste Zeit draussen. Manchmal organisieren wir auch Museumsbesuche oder schauen mit den Kindern einen Film», erzählt Zoi Salmo. Auch sehr beliebt ist der Bastelraum mit seinen vielen Materialien, wo die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Jeden Donnerstag dürfen die Kinder die Schwimmhalle des Schulhauses nutzen. «So können wir ihnen helfen, besser schwimmen zu lernen», meint Zoi Salmo. Aus all den verschiedenen Angeboten dürfen die Kinder jenes auswählen, worauf sie am meisten Lust haben. Oder auch einfach ihre Hausaufgaben erledigen.
Eine wirkliche Beziehung
Je nach Modulbelegung, die die Eltern frei buchen können, verbringen manche Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse fast alle freien Nachmittage in der Tagesstruktur. Die Arbeit hier ist nicht wie in einem Spital, wo die Begegnungen mit den Kindern meistens von kurzer Dauer sind. «Bei uns kann man eine wirkliche Beziehung zu den Kindern aufbauen. Zwar gehören auch Tränen zum Alltag, glücklicherweise sind es aber mehrheitlich Freudentränen», so Salmo. Die Kinder sollen sich in ihrer Freizeit frei entfalten, wohl fühlen – und die Emotionen teilen können. Das ist einerseits sehr bereichernd, andererseits manchmal auch belastend. Es passieren ja leider nicht nur schöne Dinge auf dieser Welt. «Bei Konfliktsituationen mit den Kindern unterstützen wir uns immer gegenseitig und können andere Fachpersonen hinzuziehen. Und bei Bedarf findet auch ein guter Austausch mit den Eltern und Lehrpersonen statt. Die Zusammenarbeit im Team ist sehr wichtig bei dieser Arbeit, da die Kinder gerne versuchen, Grenzen und Regeln zu durchbrechen», erzählt Zoi Salmo.
Erst um sechs Uhr abends, wenn die Türen schliessen und sich auch das letzte Kind auf den Nachhauseweg begibt, kehrt in der Tagesstruktur Bläsi wieder Ruhe ein.
Text und Foto: Grischa Schwank