Antisemitismus als Unterrichtsthema
Ausgrenzung und Diskriminierung laufen nach demselben Mechanismus ab, unabhängig davon, ob sie sich auf Religion, Geschlecht, Hautfarbe, körperliche Fähigkeiten oder Herkunft beziehen: Menschen werden als Teil einer Gruppe identifiziert, dann stellvertretend mit bereits bestehenden Vorurteilen gegenüber der Gruppe konfrontiert und damit verletzt, diskriminiert oder für Dinge beschuldigt, die sie nicht verantworten.
Nach Meinung von Fachpersonen ist es darum wichtig, dass man die verschiedenen Ausgrenzungs- und Diskriminierungsformen nicht gegeneinander ausspielt (Aufmerksamkeitspeaks), sondern ganzheitlich und langfristig dagegen vorgeht. Diese Haltung ermöglicht Solidarität unter allen, die von Diskriminierung betroffen sind.
Diese Seite sammelt empfehlenswertes Material, um das Thema Antisemitismus im Unterricht aufzugreifen. Daran lässt sich auch exemplarisch zeigen, wie Diskriminierung funktioniert. Es hilft, zwischen Antisemitismus als (historischem) Unterrichtsthema und (aktuellen) Formen von Antisemitismus zu unterscheiden, zum Beispiel einer Bemerkung auf dem Pausenhof oder während einer Debatte in der Klasse.
Folgende Lehrmittel thematisieren Diskriminierung und Antisemitismus:
- Primarstufe: Das Lehrmittel «Verfolgt und vertrieben» wurde an der PH FHNW für Schülerinnen und Schüler der 4. bis 6. Klasse entwickelt, die sich mit der Shoah beschäftigen. Christian Mathis und Urs Urech führen die Schülerinnen und Schüler anhand der Lebensgeschichten jüdischer Flüchtlingskinder an das Thema heran.
- Sekundarstufe I: Schritte ins Leben (Oberstufe, alle Niveaus), Kapitel 5.4 «Vorurteile abbauen» (S. 161–173 | Lehrer/innenkommentar S. 121–131), darin zum Beispiel zu Klischees in Witzen (S. 162 Schüler/innenband | Kommentar S. 123).
- Sekundarstufe II: Geschichte der Neuzeit: «Angeklagt. Alfred Dreyfus und die Affäre einer Nation» (S. 164–179) (Entwicklung der Rassentheorien, Antisemitismus am Beispiel Frankreich/19. Jahrhundert)
- Der Blogbeitrag zu Rassismus im Unterricht beschreibt didaktische Tipps, deren Herangehensweise sich auf Antisemitismus übertragen lässt.
Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus bietet Unterlagen an, um Antisemitismus im Unterricht zu thematisieren:
- Ein Glossar zu Begriffen rund um Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung. Es gibt auch ein E-Learning-Tool, das auf dem «GRA-Glossar historisch belasteter Begriffe» basiert. Ein Zugriff kann bei der GRA Stiftung angefragt werden.
- Zitatkarten «Antisemitismus im Alltag. Erkennen, Benennen, Reagieren»: Sie machen antisemitische Äusserungen sichtbar und zeigen, wie man darauf reagieren kann. Die Karten ermöglichen Jugendlichen der Sekundarstufen I und II, sich interaktiv mit dem Thema Antisemitismus auseinanderzusetzen. Dazu gibt es einen Leitfaden für Lehrpersonen, der aus zwei Teilen besteht: der eine zeigt der Lehrperson, wie sie das Thema mit nicht-jüdischen Schülerinnen und Schülern angehen kann, der andere, wie sie jüdischen Schülerinnen und Schülern in der Klasse die Möglichkeit geben kann, mit Antisemitismus umzugehen (Empowerment).
Das Projekt Likrat geht mit Dialog, Aufklärung und Information gegen Vorurteile und Antisemitismus vor. Jüdische Jugendliche besuchen interessierte Schulklassen, wo sie über das Judentum als Religion und über ihre persönliche religiöse und kulturelle Lebenserfahrung Auskunft geben. Kontakt
Die interaktive Wanderausstellung «Mensch, du hast Recht(e)!» fordert Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren heraus, sich mit Bildern, Fakten und Fragen rund um die Themen Normalität, Diskriminierung und Demokratie im Alltag auseinanderzusetzen. Sie findet zweimal pro Jahr statt.
Im Rahmen der Ausstellung «Mensch, du hast Recht(e)!» finden die Fragerunden «Was ich schon immer wissen wollte über ...» statt. Zum Thema Antisemitismus gibt es je einen Anlass für Lehrpersonen und einen für Schülerinnen und Schüler. Der stellvertretende Leiter des Zentrums für jüdische Studien, Erik Petry, und ein Mitglied des Projekts Likrat beantworten Fragen aus dem Alltag und für den Alltag.
Jedes Jahr am 27. Januar ist der internationale Holocaust-Gedenktag. In Zürich organisiert die PHZH einen «Memory Walk» entlang der Stolpersteine. In Basel haben wir zwar keinen offiziellen «Walk», aber auch wir haben Stolpersteine. Mehr zu den Stolpersteinen in Basel Flyer zum Zürcher «Memory Walk»
Empfehlenswert ist die App «Fliehen vor dem Holocaust. Meine Begegnung mit Geflüchteten», die mit interaktiven Modulen für den Geschichtsunterricht auf der Oberstufe vertieftes Lernen ermöglicht. Das Projekt entstand aus der Zusammenarbeit zwischen der PH Luzern und erinnern.at und hat zum Ziel, Wissen zu vermitteln, Perspektiven sichtbar zu machen und die Arbeit mit historischen Quellen zu üben.
Philipp Steffan: Sag was! Radikal höflich gegen Rechtspopulismus argumentieren, PZB 32(14b)
80 Seiten, 2019, ab 14 Jahren
«Sonntagnachmittags auf einer Familienfeier. Nach Kaffee und Kuchen geht deine Familie spazieren, dein Onkel Heiner läuft neben dir. Als er an Strassenlaternen eine Parteiwerbung sieht, sagt er lauft: «Ach, die Systemparteien kümmern sich doch sowieso nicht um uns.»
Anja Reumschüssel: Extremismus, PZB_MC_1000 36
176 Seiten, 2018, ab 13 Jahren
«Das Wort Demokratie kommt aus dem Griechischen, von demos – Volk und kratos – Gewalt/Herrschaft/Macht, und beschreibt schon genau, was es bedeutet: eine Staatsform, bei der das Volk herrscht. Eine Demokratie im Sinne des Wortes würde also bedeuten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger bei jeder politischen Entscheidung mitbestimmten darf.»
- Die deutsche Bundeszentrale für Politische Bildung bietet laufend aktuelles und qualitativ hochstehendes Unterrichtsmaterial an. Der Beitrag «Antizionistischer und israelfeindlicher Antisemitismus Definitionen – Differenzierungen – Kontroversen» eigenet sich für Lehrpersonen und erklärt, wie man verschiedene Formen von Antisemitismus unterscheiden kann.
- Video «Antisemitism & the Internet: Coded Hate Speech in Online Memetics on Vimeo» (auf Englisch, 17.11 Minuten)
Der 17-minütige Beitrag ist anspruchsvoll, aber ein guter Gesprächsanlass, der zeigt, wie im Internet Gesetze zum Antisemitismus umgangen werden.
- Video: «Eine neue Antisemitismus-Definition. Ist das nötig?» (12.4.2021, 63.37 Minuten)
200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine neue Antisemitismus-Definition vorgelegt: The Jerusalem Declaration On Antisemitism (JDA). Die Philosophin und Mitautorin Prof. Dr. Susan Neiman im Gespräch auf dem Wissenschaftsportal der Gerda Henkel-Stiftung.
- Interview: «Grundsätzlich ist Antisemitismus überall. Auch bei gewissen Linken»
Interview mit der Antisemitismus-Expertin und Professorin Christina Späti darüber, was Antisemitismus ist und ob es einen linken Antisemitismus gibt. Anlass sind die Feierlichkeiten zum Zionistenkongress in Basel 2022. Der Artikel ist in der Republik erschienen und eignet sich für Gymnasiast/innen und Lehrpersonen.
- Video der Rede der Publizistin Marina Weisband im Deutschen Bundestag zum Holocaustgedenktag (27.1.2021, 11.54 Minuten)
Marina Weisband erzählt von ihren Erfahrungen als Jüdin in Deutschland und sagt: «Teil einer kleinen Minderheit zu sein, bedeutet immer, alle zu repräsentieren und von allen repräsentiert zu sein. Ob man will oder nicht.»
- Wie geht man mit antisemitischen Vorfällen um?
Was können Lehrpersonen tun, wenn es im Klassenzimmer oder auf dem Pausenplatz zu diskriminierenden Äusserungen und Handlungen kommt? Peter Gautschi und Jasmine Steger vom Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern geben in ihrem Blogbeitrag vom April 2024 konkrete und hilfreiche Hinweise.
- Sofort-Wissen für kluges Eingreifen
Die deutsche Bundeszentrale für Politische Bildung hat neun kurze Handlungsvorschlägen zusammengestellt, wie man bei akuten Diskriminierungssituationen im Schulkontext vorgehen kann.
Bei der Meldestelle des SIG können Betroffene, Zeuginnen und Zeugen antisemitische Vorfälle melden. Diese werden aufgenommen, analysiert und eingeordnet. Nach einer Verifizierung fliesst der Vorfall in die Statistik des jährlichen Antisemitismusberichts ein. Zudem werden Betroffene auf Wunsch beraten.