Ich baue Gerüste
Um den inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen Sprachhandlungen im (Fach-)Bereich eine angepasste Bildungs- und Fachsprache. Sprachbewusst unterrichten heisst, den Schülerinnen und Schülern Hilfestellungen («Scaffolds») beim Aufbau dieser Bildungs- und Fachsprache anzubieten.
Solche «Scaffolds» (Gerüste) sind temporäre Hilfen, die den Lernenden zur Verfügung gestellt werden, damit sie eine Aufgabe möglichst selbstständig lösen können. Die «Scaffolds» helfen den Lernenden also dabei, den Abstand zwischen ihrem aktuellen Lernstand und dem angestrebten Entwicklungsstand zu überwinden (Wygotski nennt es «Zone der nächsten Entwicklung»).
Das Bild des Gerüsts zeigt auf, dass solche Unterstützungsmassnahmen nur so lange angeboten werden, bis das Gebäude dahinter genug Stabilität erlangt hat.
Die Lehrperson spielt in diesem Prozess die Rolle eines Vermittlers/einer Vermittlerin: Anknüpfend an die Lebenswelt und Alltagssprache der Schülerinnen und Schüler führt die Lehrperson die Lernenden hin zu einer Bildungs- und Fachsprache, die an den Fachbereich beziehungsweise die Unterrichtssituation angepasst ist. Sprachbewusst unterrichten heisst also explizit nicht, auf Fachsprache zu verzichten und zu simplifizieren, sondern – sportlich gesprochen – die Sprungtechnik zu trainieren, damit die fachlichen Hürden erfolgreich überwunden werden können. Und, um im Bild des Sports zu bleiben: Wer käme auf die Idee zu sagen, dass das Vermitteln der Sprungtechnik nicht Teil des Hürdenlauftrainings sei ...?
In jeder Unterrichtssituation den Fokus zusätzlich auf sprachliche Phänomene zu richten, bedeutet am Anfang einen Mehraufwand. Aber neben den Lehrpersonen, die damit immer souveräner umzugehen lernen, machen auch die Schülerinnen und Schüler Fortschritte und bewältigen fachliche Aufgaben mit den hinzugewonnenen Strategien und fachsprachlichen Kompetenzen leichter. Die zu Beginn investierte Zeit beschleunigt später das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler.